- 99 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Das Phänomen subjektiver Rhythmisierung

Bei aller Divergenz gibt es aber auch Hinweise auf übereinstimmende Verarbeitungsmechanismen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bemüht sich die Psychologie darum, Gesetzmäßigkeiten in der Verarbeitung von Zeitmustern aufzudecken. Eine der frühesten Erkenntnisse war die Tatsache, dass der Mensch eine Reihe identischer akustischer Ereignisse unwillkürlich in Zweier- bzw. Dreiergruppen gliedert (vgl. Fraisse 1982, S. 155f.). Dieses Phänomen konnte auch auf der visuellen Ebene nachgewiesen werden, Fraisse kritisiert jedoch dessen Bezeichnung als ›subjektive Rhythmisierung‹. Seiner Meinung nach entsteht jeder Rhythmus erst in der aktiven Wahrnehmung; physikalisch handelt es sich um bloße Folgen. In die obige Grafik würde sich diese These folgendermaßen einfügen:


PIC


Das Wahrnehmungsphänomen der subjektiven Rhythmisierung konnte später bestätigt werden, indem sich zeigte, dass auch begleitendes Tapping (Fingerdruck in Anpassung an einen vorgegebenen akustischen Stimulus) eine Akzentuierung aufwies.

Im Kontext des Phänomens der subjektiven Rhythmisierung erscheint eine weitere Beobachtung erwähnenswert: Versuchspersonen neigen dazu, in Gruppierungen von Dauern das betonte(ste) Element zu verlängern: »A general fact is observed: the most intense element is lengthened.« (Fraisse 1982, S. 160). Umgekehrt werden lange Elemente in Gruppierungen betont bzw. als betont wahrgenommen. Es findet also eine Interaktion zwischen Dauer und Akzentuierung statt:

Dauer ←→ Akzentuierung

Exkurs: Wahrnehmung von Dauern, Relationen und Schwerpunkten in musikalischem Kontext

Die Subjektivität der Zeitwahrnehmung gilt auch in der Rezeption von Musik, Klaus-Ernst Behne (1991) formuliert:

Beim Musikerleben, das für viele gerade aus seiner Subjektivität seine Qualität und Bedeutung bezieht, erscheint die Subjektivität des Zeiterlebens noch gesteigert. (ebd., S. 148).

Behne gibt einen Überblick über einige Studien, bei denen Versuchspersonen verschiedene Musikstücke bezüglich ihrer Dauer beurteilen sollten. Die Ergebnisse sind


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