Das Phänomen subjektiver Rhythmisierung
Bei aller Divergenz gibt es aber auch Hinweise auf übereinstimmende
Verarbeitungsmechanismen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bemüht sich die
Psychologie darum, Gesetzmäßigkeiten in der Verarbeitung von Zeitmustern
aufzudecken. Eine der frühesten Erkenntnisse war die Tatsache, dass der Mensch eine
Reihe identischer akustischer Ereignisse unwillkürlich in Zweier- bzw. Dreiergruppen
gliedert (vgl. Fraisse 1982, S. 155f.). Dieses Phänomen konnte auch auf der visuellen
Ebene nachgewiesen werden, Fraisse kritisiert jedoch dessen Bezeichnung als ›subjektive
Rhythmisierung‹. Seiner Meinung nach entsteht jeder Rhythmus erst in der aktiven
Wahrnehmung; physikalisch handelt es sich um bloße Folgen. In die obige Grafik würde
sich diese These folgendermaßen einfügen:
Das Wahrnehmungsphänomen der subjektiven Rhythmisierung konnte später bestätigt
werden, indem sich zeigte, dass auch begleitendes Tapping (Fingerdruck in
Anpassung an einen vorgegebenen akustischen Stimulus) eine Akzentuierung
aufwies.
Im Kontext des Phänomens der subjektiven Rhythmisierung erscheint eine weitere
Beobachtung erwähnenswert: Versuchspersonen neigen dazu, in Gruppierungen von
Dauern das betonte(ste) Element zu verlängern: »A general fact is observed: the most
intense element is lengthened.« (Fraisse 1982, S. 160). Umgekehrt werden lange Elemente
in Gruppierungen betont bzw. als betont wahrgenommen. Es findet also eine Interaktion
zwischen Dauer und Akzentuierung statt:
Exkurs: Wahrnehmung von Dauern, Relationen und Schwerpunkten in musikalischem
Kontext
Die Subjektivität der Zeitwahrnehmung gilt auch in der Rezeption von Musik,
Klaus-Ernst Behne (1991) formuliert:
Beim Musikerleben, das für viele gerade aus seiner Subjektivität seine
Qualität und Bedeutung bezieht, erscheint die Subjektivität des Zeiterlebens
noch gesteigert. (ebd., S. 148).
Behne gibt einen Überblick über einige Studien, bei denen Versuchspersonen verschiedene
Musikstücke bezüglich ihrer Dauer beurteilen sollten. Die Ergebnisse sind