- 102 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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"Zimmermann und der Kranich" 111). Die anfängliche "Zauberberg-Faszination", von der Zimmermann 1952 in einem Aufsatz für die Musikzeitschrift Melos spricht, schwindet. Für Wilfried Gruhn sind der Mißerfolg des Cellokonzerts Canto di speranza (1957), das in seiner cantabilen Expressivität quer zum Darmstädter Musikverständnis steht, und des Balletts Présence sowie die geringe Resonanz auf Zimmermanns weitere Werke äußere Anzeichen einer tiefgreifenden Entfremdung gegenüber Entwicklungslinien der "Darmstädter Schule". Allzu früh verwendet Zimmermann kompositorische Stilmittel und Techniken im Sinne der späteren Diskussion um die Postmoderne als Elemente heterogener ästhetischer Sprachen. Zunehmend gerät er in eine Isolation, an der er letztendlich zerbricht (Vgl. "Zimmermann und der Kranich" 116).

     Schwierig gestaltet sich auch das Verhältnis zur Kölner Musikhochschule. Zwar entsprechen Zimmermanns vielfältige kompositorische Erfahrungen, seine umfassende humanistische Bildung und seine hohen Qualitätsansprüche den Vorstellungen des Direktors Heinz Schröter, der ein "studium generale" anbieten möchte: Zimmermann führt neben dem Kompositionsunterricht Seminare zur Musikanalyse durch, in denen er Beethoven, Berg, Debussy, Frescobaldi, Machaut und Webern analysiert. Doch scheitern Schröters Pläne an der Hochschulwirklichkeit, am zeitaufwendigen Üben der Musikstudierenden in den instrumentalen Haupt- und Nebenfächern, am Partiturspiel und an anderem mehr. Die Teilnahme an den Seminaren geht zurück. Auf Interesse stoßen Zimmermanns Hörspiel- und Filmmusikseminare. Aus der Sicht des früheren Kompositionsschülers berichtet Manfred Niehaus 1986:


Es wurden Hörspiele vorgestellt, zu denen er selbst die Musik geschrieben hatte, eine Zeitlang hatten wir dienstags von 9 bis 11 Uhr das Lux-Kino auf der Hohe Straße angemietet, wir sahen Filme wie "Hiroshima mon amour" mit und ohne Ton. Die praktischen Aufgaben, neue Musiken zu den vorgelegten Stücken zu schreiben und auf Band zu realisieren, konnten wir nur selten erfüllen. Die Gründe: siehe oben; dazu kam, daß die Kompositionsästhetik damals schnelles und leichtes Arbeiten eigentlich verbot. Es blieb also weitgehend beim Stückehören, Filmegucken, Reden, dies freilich für alle Schüler, vielleicht auch für den Lehrer, ein Gewinn.

(Niehaus, "Zimmermann als Kompositionslehrer" 135)


Zu Beginn des Kompositionsunterrichts erhalten alle Schüler die Aufgabe, ein Klavierstück über die Reihe aus der zweiten Kantate von Anton von Webern zu schreiben. Die Musik soll Ton für Ton durchgehört und in ihrer satztechnischen Faktur weitestmöglich differenziert sein. Im weiteren Unterricht gibt Zimmermann Anregungen und Hinweise, ohne den Studierenden Vorschriften zu machen. Er stellt sich


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