- 149 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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3.3 Musik als Kamera


Zu Beginn der Oper spricht Hans "(frei, nachdenklich, mit großen Pausen...) Tief unter uns. - Kein Schrei. - Nur Schweigen, schweigen, - schweigen - ". Eine zehntaktige, mit "marcato-molto" überschriebene Passage beginnt. Sie dient an weiteren Stellen der Oper als Verbindungsglied zwischen den Szenen. Ihre Bedeutung im Hinblick auf die Situation von Hans und Sophie wird am Beginn der elften Szene deutlich. Negativ und Positiv einer Fotografie vergleichbar, stellt Zimmermann Musik und Körperrhythmus als Kontraste einander gegenüber. "Haltungen: plötzliche fürchterliche Verzweiflung, Aufbäumen, schrecklich langes Schreien, das immer leiser wird, Weinen, Abwesenheit bis zur völligen Stille" (Vgl. nachfolgendes Notenbeispiel).

     Das Kammerorchester schöpft den dynamischen Gegensatz von dreifachem Forte und völliger Stille aus. Im strengen Kontrapunkt entstehen zwischen Bassposaune und Piccoloflöte Querstände aus kleinen Sekunden im Abstand von zwei bis vier Oktaven. Zur Verstärkung der als Cluster erklingenden fünf höchsten und fünf tiefsten Töne des Pianos sieht die Partitur den mit Metallhammer geschlagenen Metallblock vor. Ein in relativer Höhe notierter scharfer und schriller Klang entsteht; der Hinweis auf diese Stimme fehlt im nachfolgend wiedergegebenen Klavierauszug. Den Höreindruck bestimmen Schattierungen zwischen Klang und Geräusch. Sie bewirken den von Zimmermann beabsichtigten Kontrast zur rhythmischen Komposition.

     Die Dauer der Stille wechselt zwischen drei festgelegten Zeitwerten. Die längste Pause steht am Ende der Passage in den Takten sieben und zehn. Der Gesamteindruck ist der von unmenschlicher Härte und Gewalt. An die Stelle der tiefenpsychologischen Vermittlung von Musik und Bewegung tritt ihre Montage. Die Beschränkung in der Auswahl der instrumentalen Mittel kommt, der kammermusikalischen Konzeption entsprechend, Vorstellungen von räumlicher Enge, Abgrenzung und Isolation entgegen (Beispiel S. 150).


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