- 157 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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des Hans sind metrische Verschiebungen zwischen der Klavierstimme  und dem Kammerorchester (Beispiel S. 156 ab Ziffer 55). Während der fünften Szene tanzen Sophie und Hans im Walzerrhythmus. Udo Zimmermann erläutert den Beginn der Szene:


... In der Gemeinsamkeit des Tanzes finden sie Schutz vor den sie bedrängenden Bildern der "leeren Straße" und den "in den Tod fahrenden Kindern". Unabhängig von den Haltungen von Hans und Sophie symbolisiert die Musik des Tanzes zunehmend die groteske Maskerade einer erschreckend gleichgültigen Welt.

(Udo Zimmermann, Weiße Rose, Klavierauszug 24)


Die Musik steht der Walzerbewegung als Kontrast gegenüber. Als Kontrapunkt zur Bewegung reflektiert sie eine seelische Landschaft im Zustand der Todeserwartung. Nur äußerlich gehören ihr die Bewegungen und Empfindungen der Tanzenden an. Wie Kamera und Objekt treten Musik und Tanz auseinander. Hans und Sophie bewegen sich nicht zur Musik, sondern die Musik sich zu ihnen. Als Ausdruck des Trostes verfremdet die wiegende Bewegung des langsamen Walzers eine bereits verfremdete und in sich gebrochene Musik. Wie in Alban Bergs Oper Wozzeck kennzeichnet der Walzer die Grenze zwischen Leben und Tod. Mit der Verfremdung und Brechung seines historischen Modells tendiert er zur äußeren, harten Realität. Der Wiener Walzer spielt zur Jahrhundertwende mit dem Angstsymptom des Schwindels. Im Dreh-Paartanz wird die Angstbedingung des Alleinseins aufgehoben. In Udo Zimmermanns Kammeroper Weiße Rose tritt an die Stelle agoraphobischer Symptome eine berechtigte Todesangst.


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