- 176 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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1.6 Glocken in Witold Szaloneks Mala symfonia B-A-C-H


In den Kompositionen des 1927 in Dziedzice (ehemals Schlesien) geborenen Witold Szalonek stehen Klänge und musikalische Bewegungen in enger Verbindung zur menschlichen Angst vor dem metaphysischen Erleben und vor dem Tode. In seiner Mala symfonia B-A-C-H entstehen durch den Klang der Glocke wie auch immer subjektive Bilder flüchtiger Gehbewegungen. Die Bedeutungen musikalischer Symbole sind im Einzelfall immer subjektiv vermittelt. Doch zeigen ihre Übereinstimmungen in vergleichbaren Kompositionen einen für den westlichen Kulturkreis nahezu verbindlichen Sprachcharakter. Glocken und Fanfaren können Angst und Überwindung von Angst bedeuten. Im folgenden sei die Mala symfonia B-A-C-H von Witold Szalonek in Kürze vorgestellt.

     Das zwischen 1979 und 1981 entstandene Werk wird am 26. März 1985 unter der Leitung Renard Czajkowskis vom Pianisten Andrze Tatarski uraufgeführt. Die Klangidee wurzelt in der Kirchenglockenmusik. Mit "Dudnienia" (Dröhnen) ist der erste Satz überschrieben. Er beginnt als zweitaktige, unregelmäßige Pendelbewegung zwischen zwei Harfen und dem Piano. Aus großen Septimen und kleinen Sekunden bilden die Streicher im folgenden den geräuschhaften, schwebenden Hintergrund für ostinate Becken- und Gongschläge (Beispiel S. 177). Der unwirkliche, dämonische Klangraum von Größe und zugleich bedrückender Nähe löst sich im folgenden in Bewegungen auf. Zwei Harfen leiten mit rhythmisch sich verdichtenden Pendelschlägen aus großen Septimen und kleinen Sekunden, ab Takt 39 vom Becken abgelöst, das Glockenmotiv ein. Im zweiten, alla breve überschriebenen Formabschnitt ab Takt 71 fordert eine beständige Wechselbewegung dreistimmiger Akkorde zwischen zwei Harfen zur Bewegung auf. Ein rasches Gehtempo bestimmt den Satz (Viertel ca. 132). Staccatoakkorde des Klaviers ("feroce, secco". Takt 93, 96, 99, 103, 107 etc.) füllen die wiederkehrenden, für Glockengeläut untypischen Pausen aus (Beispiel S. 178, Takt 93). Stille und eine fünffach wiederkehrende, im Portato aufwärtsgeführte fünftönige Figur des Pianos leiten den Formabschnitt zwischen Takt 80 und 90 ein. Er endet mit dem melodisch aufwärtsgeführten allmählichen Verklingen des Glocken- und Gehmotivs in der Klavierstimme, einer im Klangraum gleichsam perspektivisch sich verlierenden Wegspur (Vgl. Klavierstimme, Partitur 23, Takt 148-154).


Beispiel S. 177: Szalonek. Mala symfonia B-A-C-H. 7.

Beispiel S. 178: Szalonek. Mala symfonia B-A-C-H. 15.


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