- 62 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Zwei Gemälde zum dritten Bild des Dramas mit Musik Die glückliche Hand sind in dem von Thomas Zaunschirm herausgegebenen Band mit Arnold Schönbergs bildnerischem Gesamtwerk wiedergegeben. Ein Ölgemälde auf Karton (Katalognummer 223) zeigt in wechselnden graublauen und graubraunen Tönen fließende Formen, aus denen in vagen Umrissen die Bühnenperspektive hervortritt (Zaunschirm, Arnold Schönberg 321). Das Gemälde bleibt hinter den gegenüber Ernst Legal 1930 geäußerten Forderungen zurück und steht in Details der Bühnenanweisung der Partitur entgegen. In seinen fließenden Formen und Farben erscheint es als eine innere, seelische Landschaft, die in hohem Maße "musikalisch" entworfen ist. Die Spannung zwischen Schönbergs bildnerischen Visionen und der Komposition von Bühne und Handlung wird deutlich.

     Das zweite Gemälde, Tusche und Gouache auf Papier, (Katalognummer 224) wirkt statischer, geometrischer und zugleich transparenter. Die beiden Höhlen sind vom Übrigen dunkel abgehoben. Das "mannsgroße Felsenstück", das der Partitur zufolge vor der Schlucht in die Höhe ragt, ist in beiden Entwürfen allenfalls zu erahnen, die Nadelbäume mit silbergrauen Ästen, von denen die Partitur spricht, fehlen. Von den bildnerischen Entwürfen aus betrachtet relativiert sich auch die an Ernst Legal gerichtete Forderung, der Aufbau der Bühne und das Bild werde aus "tausend Gründen haarscharf" nach Schönbergs Anweisungen erfolgen müssen, weil sonst nichts stimme. Er habe seinerzeit Bilder angefertigt (Schönberg, Ausgew. Briefe 150).

     In den Jahren um 1910 strebt Schönberg eine Theaterform an, welche die szenischen und musikalischen Ebenen verbinden soll. Keineswegs zeigt das Werk jedoch, wie von Michael Mäckelmann behauptet, die Tendenz, die "durchaus erkennbare" Handlung zu verdrängen oder aufzuheben. Das Geschehen um den Mann dient dem Ganzen nicht bloß "als eine Art Rückgrat", das den Verlauf äußerlich bestimmt, und den Mittelpunkt des Werkes bilden nicht jene "musikalisch-gestischen Elemente", die sich von der Handlung "zusehends emanzipieren" (Mäckelmann, "Die glückliche Hand" 21).

     Aus Rücksicht auf die Familie möchte Schönberg 1913 intime Einzelheiten seines Privatlebens nicht öffentlich diskutiert wissen. Die szenische und musikalische Komposition steht dennoch im Dienst einer unbedingt vorrangig zu betrachtenden inneren Handlung, die in Details der "inversen Logik des Traumes" folgt und in ihrer kompositorischen Ausformung märchenhafte Züge trägt. Ihre ganze Bedeutung zeigt die von Schönberg in der Partitur vorgeschriebene Bühnenlandschaft erst als Bestandteil der seelischen Verstrickungen des Mannes der Glücklichen Hand. Sie ist Spiegelbild einer inneren, seelischen Landschaft, und auf ihr kann sich nur jene von Schönberg psychologisch stringent entworfene Handlung ereignen.


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