Vom Rhythmus des Bildes und musikalisch gemeinter Stille 3 Dieses spezielle rhythmische Element deiner Filmmusik, wo fndet sich das?Bei Hitchcock z. B. ahnt man nicht, dass er jemand war, der das eine mit dem ande-ren unglaublich verschränkt hat. Die berühmteste Szene ist einfach die Duschszene aus Psycho. Wenn du dir das anguckst, was da Bild und Musik miteinander machen – das ist eine wahnsinnige Rhythmik, die da entsteht, die sehr aggressiv ist und so experimentell, dass es heute immer noch Wahnsinn wäre, wenn es jemand neu ma-chen würde.Wäre es für dich vorstellbar, irgendwann auch mit einem Orchester zu arbeiten?Unbedingt. Der einzige Grund, warum ich es noch nicht gemacht habe war, dass wir das Geld nicht hatten. Ich bin ein großer Klassik-Fan und bringe auch immer wieder das orchestrale Element rein. Lola rennt sollte einen klassischen Filmscore be-kommen, gleichzeitig aber so modern wie möglich sein. Ich glaube, es ist nicht ein einziges sehr vergängliches Techno-Konzept-Stück dabei. Wir haben immer darauf geachtet, dass die Musik eine flmische Stimmung bekommt und eine richtige Dra-maturgie hat. Hast du keine Angst, dass deine Filme vielleicht kurzlebiger sind aufgrund der aktuellen Musikästhetik?Ich habe das bisher ja eigentlich vermieden. Ich würde sagen, Winterschläfer hat ab-solut zeitlose Musik.Am Anfang hat Winterschläfer doch auch sehr elektronische Sounds.Ich fnde den Anfang eigentlich klavierlastig und vom Klangbild her sogar etwas altmodisch. Also tendenziell klingen die Sachen bei mir auch eher etwas retro, acht-zigerjahremäßig. Gleichzeitig aber nicht so eindeutig zu setteln und dadurch wer-den sie, glaube ich, schon etwas überlebensfähiger. Lola ist da schon ein anderes Bei-spiel, das ist ein Film von ‘98, aber das war natürlich auch die Aufgabe: ich wollte wirklich einen Film machen der heute ist. Während Winterschläfer auch ein Film ist, der sich mit der Gegenwart beschäftigt, bei dem aber die Zeitlosigkeit des Konfik-tes, mit dem sich der Film beschäftigt auch Thema ist. Bei Lola habe ich selber emp-funden, einen akuten Film zu machen und ich hoffe, dass der Film auch in zwanzig Jahren noch Spaß macht, auch wenn man das Gefühl hat » Naja, das war eben da-mals « . Ich sehe heute gerne noch die Beatles-Filme, die sind einfach super! Die ha-ben einen unheimlichen Esprit, die repräsentieren ihre Zeit, sind aber trotzdem auf eine Weise zeitlos geblieben und sind immer noch unvergleichlich lebendig und lus-tig. Wenn du dieses Leidenschaftsprinzip in einen Film hineinbringst, oder auch in Musik, dann wird man die zwar irgendwann altmodisch fnden, oder nostalgisch darauf zurückkommen, aber sie immer noch gerne hören. Du sprichst von » Leidenschaft « . Was geht eher mal mit dir durch, die Leidenschaft für die Musik oder die für die Bilder, welche dominiert die andere?