SEE THE SOUND – SEE THE BODY VISUELLE ASPEKTE MUSIKALISCHER KOMMUNIKATION IN MUSIKALISCHEN AUFFÜHRUNGEN Tobias Neuhold 1. Einleitung Die Rolle des Körpers in der Wahrnehmung von visuellen Aspekten musikalischer Aufführungen war ein vernachlässigtes Thema in den Musikwissenschaften, ob-wohl diese für Musizierende in der Praxis logisch und selbstverständlich ist. Um dies zu verdeutlichen denke man an eine Aufführung der Goldbergvariationen von Glenn Gould, der durch seine Gestik ein sehr extravagantes Beispiel ist, dennoch soll er zur Verdeutlichung herangezogen werden. Delalande (1988) bezeichnet die Gesten von Gould als bewusste Form der Kommunikation. Dies belegt er durch den Unterschied der Gesten Goulds bei Studioaufnahmen und bei Konzertauftritten. Gesten im Studio wiesen vermehrte Wiederholungen auf. In den Live-Aufführun-gen hingegen waren die Gesten zu einem höheren Anteil nicht vorhersehbar, es war jedoch ein gemeinsamer Fluss zwischen Musik und Gestik festzustellen. Gould ver-sucht durch seine Gestik, ähnlich wie in einem Dialog, den Hörenden bzw. Sehenden seine Ideen und Intentionen verständlicher zu vermitteln (vgl. Davidson 2009, S. 373). Ferner können alltägliche Phänomene für die Relevanz des Körpers als Mit-tel in der audiovisuellen Kommunikation sprechen. So weisen Thompson u. a. (2005) auf folgenden Umstand hin: » It is well known that seeing the face of a speaker can increase the intelligibility of speech in a noisy environment « (S. 178).Diese beiden einleitenden Beispiele sollen veranschaulichen, dass der Körper in der Wahrnehmung von musikalischen Aufführungen eine nicht zu vernachlässigen-de Rolle spielt. Warum aber wurde der Körper bzw. die visuelle Komponente in musikalischen Aufführungen in den Musikwissenschaften lange Zeit vernachläs-sigt? Einerseits kann argumentiert werden, dass die technische Speicherung von Klang im 20. Jahrhundert Musik zu einem rein auditiv begriffenen Phänomen wer-den ließ. Dennoch ist dies eine sehr einseitige Argumentation, denn der Stellenwert von Live-Darbietungen verlor, neben der immer besser werdenden Qualität der Aufzeichnungs- und Wiedergabemöglichkeiten, sei es auf Grund psychologischer oder soziologischer Faktoren, nie an Relevanz. Musik ist und war in manchen For-men bereits immer ein audiovisuelles Phänomen, man denke beispielsweise an die Oper, das Ballett oder das Konzept des Gesamtkunstwerks bei Richard Wagner. Durch das Aufkommen des Videoclips in der Popmusik in den 1970er Jahren kam es zu einem Aufschwung in der Verbindung von Musik und Film.