18 Tobias Neuhold Jedoch bildet der Inhalt der Reize eine beeinfussende Größe; so konnten Musi -kologie-StudentInnen in einem Experiment von Cavé, Ragot und Fano (1992) mit computergenerierten Reizen mit fast hundertprozentiger Sicherheit synchrone Reize von asynchronen unterscheiden. Handelt es sich bei den Stimuli jedoch um Wörter oder Sätze, so wird eine negative Synchronizität von 80–130 Millisekunden und eine positive Synchronizität von 140–250 Millisekunden in die audiovisuelle Wahrneh-mung integriert (vgl. Schlemmer 2005, S. 178). Dies ist ein Indikator dafür, dass sich unsere Sinnesmodalitäten für das Verstehen von Sprache auf visueller und auditiver Ebene entwickelt haben. Mit dem McGurk-Effekt kann in Folge das Zusammenspiel von auditiver und vi-sueller Wahrnehmung gezeigt werden. Es handelt sich hierbei um die artifzielle Kombination von einem sichtbaren Mund, der » ga-ga « artikuliert mit einer Tonspur die aus » ba-ba « besteht. Aus diesem Zusammenspiel bzw. Gegeneinander der un-terschiedlichen Reize wird daraus resultierend » da-da « wahrgenommen. Diese arti-fzielle Verbindung schafft somit eine neue audiovisuelle Modalität (vgl. Schlemmer 2005, S. 178). In einer Erweiterung des Versuchs durch Tillmann u. a. (1984) konnte ein zeitliches Intervall, von -250 bis +300 Millisekunden, des Auftreten des Effekts ermittelt werden. Wird dieses Zeitfenster unter- oder überschritten, dann dominiert die auditive Information (vgl. Schlemmer 2005, S. 178). Weitere Experimente zeigen die Beeinfussung der visuellen Wahrnehmung durch auditive Reize. Shams, Kata-mitani und Shimojo (2002) zeigten mit ihrer experimentellen Anordnung, dass ein durchgehender visueller Stimulus in Kombination mit mehreren schnell aufeinan-derfolgenden Klangimpulsen eine Wahrnehmung von mehreren Lichtblitzen her-vorruft (vgl. de la Motte-Haber 2006, S. 17). Ebenso wirkt sich eine Tempoänderung von Impulsen auf die Wahrnehmung von blinkenden Lichtern aus, jedoch nicht im umgekehrten Fall (vgl. Schlemmer 2005, S. 181). Ferner kann durch einen vorange-stellten akustischen Reiz die Reaktionszeit auf visuelle Reize verringert werden, wenn sie aus der gleichen Richtung kommen. Ist dies nicht der Fall, treten Irritatio-nen durch den akustischen Reiz auf (vgl. ebd., S.181–182). Diese grundlegenden Experimente zur audiovisuellen Wahrnehmung zeigen, dass es eine gegenseitige Beeinfussung der beiden Modalitäten gibt. Gleichzeitig muss jedoch angemerkt werden, dass diese stark von den verwendeten Reizen – beispielsweise abstrakten oder semantischen – und dem Kontext ihrer Verwendung abhängig ist. Auf dieser Basis kann im nächsten Abschnitt auf die visuellen Aspekte musikalischer Aufführungen eingegangen werden. 3. Visuelle Aspekte musikalischer Aufführungen Der musizierende Körper und dessen multimodale Wahrnehmung stehen im Mittel-punkt der nächsten Abschnitte. Die visuellen Aspekte musikalischer Aufführungen können hinsichtlich der Qualität der Gesten in zwei Arten eingeteilt werden, in ers-tens jene, die mit der Klangerzeugung einhergehen und diese in ihrer Kausalität verdeutlichen bzw. verändern, und zweitens jene, die eine Kommunikation von In-