44 Andreas Pirchner nik der Montage von beiden erreicht werden, bei der die Musik in ihrem Umgang mit dem Material eigenständig bleibe. Medien- statt Musikästhetik Die Musikwissenschaften waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielfach an » Kunstmusik « und damit an althergebrachten Kriterien und Konventionen der Musikästhetik orientiert. Die Ausbildung einer spezifschen Medienästhetik und die Emanzipation popkultureller Ästhetiken brachten eine Abkehr von (musikwissen-schaftlich-)strukturalistischen Erklärungsmodellen und eine zunehmende Hinwen-dung zur Rezeptionsseite. Wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse wurden be-rücksichtigt, sowie verstärkt von einer ganzheitlichen audiovisuellen Filmwahrneh-mung ausgegangen. Die klassische Filmästhetik wurde so Mitte der 1960er Jahre unter anderem auch um semiologische und kybernetische Modelle erweitert (vgl. Siebert 1995, Sp. 468). Eigenschaften wie zeichenhafte Verweise des verwendeten Materials oder immersive Qualitäten wurden als ästhetische Eigenschaften emanzi-piert. Dabei spielt insbesondere die Verbindung von Bild und Musik eine bedeuten-de Rolle.Eine unverzichtbare Vorraussetzung für ein gelungenes Filmerlebnis sieht bei-spielsweise Klaus-Ernst Behne (1987) darin, dass der artifzielle Charakter der Ver-bindung von Musik und Bild den ZuschauerInnen nicht bewusst wird. Dies sei häu-fg gleichbedeutend mit einer ganzheitlichen Wahrnehmung, bei der die Einzelteile, also auch die Musik, nicht mehr als eigenständiges Element gesehen würden. Film-musik wird überhaupt nur sporadisch wahrgenommen. Behne unterscheidet drei Zustände der bewussten Wahrnehmung der flmischen Bestandteile Musik und Bild: (1) Musik und Bild werden beide bewusst wahrgenommen und erscheinen nicht als zusammengehörig. (2) Musik und Bild werden bewusst wahrgenommen, sie erscheinen als zuein-ander passend, jedoch dominiert eines der beiden Elemente das andere. (3) Musik und Bild werden bewusst wahrgenommen, die Einheit von Musik und Bild ist so stark, dass die Wahrnehmung als nur auf den Film bezogen wahrgenommen wird. Die Musik tritt dabei als einzelner Bestandteil des Ge-samterlebnisses nicht oder kaum ins Bewusstsein.Im Kontext von Punkt (3) ist die Ansicht mancher Filmschaffender zu sehen, dass gute Filmmusik im Film nicht zu hören sei (vgl. Behne 1987, S. 8–9). Adorno und Eisler (1976) hingegen konstatierten noch, dass die Grundlage » dieses Vorurteils die einigermaßen vage Vorstellung [ist], daß der Film als eine organisierte Einheit der Musik eine veränderte Funktion, nämlich einzig die dienende, zuweise « (S. 16).10 Sie sehen die Situation, in der die Musik nicht bewusst als Einzelteil des Films 10 Sie konstatieren weiter, dass eine Musik, die nicht als eigenständig wahrgenommen wird (und so eventuell nicht bewusst gehört wird) schlichtweg Banalität bedeute (Adorno und Eisler 1976, S. 20).