54 Ekkehard Knopke griff steht alles, was sich außerhalb der Erzählwelt befndet und nicht von den Cha-rakteren in der Diegese wahrgenommen werden kann. Dies sind zum Beispiel die narrative Instanz in Form des Erzählers, untermalende Filmmusik und Film-Cre-dits. Wenn in der Erzählung eine Binnenerzählung aufzufnden ist, so wird diese als metadiegetisch bezeichnet. Beispiele hierfür sind Geschichten, die von den intradie-getischen Charakteren erzählt werden (vgl. Genette 1998, S. 162–165; Metz 1972).Übernimmt man diese Einteilung in die Musicaldefnition von Altman, so müss-te sie nun wie folgt lauten: Ein Musical ist ein Film mit größeren Anteilen intradiege-tischer Musik. Die Musik besitzt ihren Ursprung in der Erzählwelt des Musicals. Ihre Klangquellen können demnach Instrumente, Lautsprecher, Sänger usw. sein; sprich: Alles, was auch in unserer realen Welt zur Erzeugung und Wiedergabe von Musik dient. Schauen wir uns diesbezüglich den bereits genannten Musicalflm Singin' in the Rain an. In der ersten Gesangsnummer nach dem Vorspann – » Fit as a Fiddle (And Ready for Love)« – wird Altmans Defnition erst einmal bestätigt. Es sind zu-nächst zwei Geigen, ein Klavier, Stepgeräusche, zwei Gesangsstimmen und ein Schlagzeug zu hören, die sich auch in der Diegese wiederfnden lassen. Wir sehen auf der Bühne ein Klavier stehen, auf dem Cosmo spielt. Außerdem sehen wir zwei Geigen, die von Cosmo und Don verwendet werden.4 Sowohl die Stepgeräusche als auch der Gesang sind ebenfalls auf die beiden zurückzuführen. Mit dem Schlag-zeug fängt aber schon die erste Diskrepanz an: Es taucht nicht im Bild auf. Im späte-ren Verlauf des Liedes setzt ein Orchester ein. Auch dieses ist nicht zu sehen. Kann der Klang von Schlagzeug und Orchester trotzdem als intradiegetisch bezeichnet werden? An dieser Stelle könnte mit der Unterscheidung von onscreen und offs-creen argumentiert werden: Eine Klangquelle kann dennoch Teil der Erzählwelt sein, obwohl sie gerade nicht im Bild zu sehen ist (vgl. Bordwell und Thompson 2001, S. 306–307). Nur weil das Orchester und das Schlagzeug nicht zu sehen sind, müssen sie nicht außerhalb der Diegese liegen. Die geschilderte Szene spielt auf ei-ner Theaterbühne und es ist durchaus denkbar, dass sich die nicht-sichtbaren In-strumente davor befnden können. Insofern lässt sich bis hierhin die Defnition, dass ein Musical einen größeren Anteil intradiegetischer Musik besitzt, bestätigen.Doch bereits die nächste Nummer im Film bringt die Defnition ins Wanken. Das Stück » All I Do Is Dream of You « wird aufseiten der Tonspur von einem Orchester begleitet. Im Bild lässt sich aber nur eine kleine, sieben Mann starke Musikercombo beobachten, bestehend aus einem Klavier, einer Gitarre, einem Kontrabass, einer Trompete, einem Saxophon, einer Posaune und einem Schlagzeug. Das Orchester lässt sich auch sonst nicht in dem gezeigten Raum ausmachen. Es wird zwar intra-diegetisch von einigen wenigen Musikern partiell repräsentiert, aber ist dennoch zum Großteil ohne physische Klangquelle in der Erzählwelt. Aufgrund dessen wäre 4 Die fehlende Authentizität der Aufführung soll an dieser Stelle nicht beachtet werden. Es kommt in diesem Fall zuallererst auf die Darstellung an. Zwar bewegen sich die Finger von Cosmo und Don kaum auf den Saiten der Geigen (und wenn, dann nicht passend zur Musik), aber dennoch wird eine akustische Quelle dargestellt, die mit dem Klang gleichgesetzt werden kann. Auf die Frage der bildli -chen Darstellung der Tonspur kommen wir weiter hinten zu sprechen.