» Hier spielt die Musik!« 57 Handlungsdarstellung unterstützen. In Rückschluss auf Genette ist es ihr erlaubt, die narrative Ebene zu wechseln. Die Musik kann sich also auf die Diegese beziehen oder aber auch auf die metadiegetische Ebene. Sie kann die Narration der Erzähl-welt unterstützen, sich aber auch auf die Binnenerzählung berufen. Ihr Klangerzeu-ger bleibt dabei weiterhin außerhalb der diegetischen Welt verankert und wird nicht von den darin befndlichen Charakteren wahrgenommen.Im Musical dringt aber die extradiegetische Klangquelle von außen in das diege-tische Universum ein. Sie taucht als sonst narrative Instanz in das Geschehen ein und wird für die erzählte Welt erlebbar. Charaktere tanzen bzw. singen zu ihr und nehmen sie in Form eines extern diegetischen Ereignisses ohne intradiegetischen Klangkörper wahr. Es handelt sich hierbei um eine Metalepse. Diese Tatsache führt uns nun zu der endgültigen Modifkation der Defnition von Altman: Ein Musical ist ein Film mit größeren Anteilen von metaleptischer Musik. 4. Weiterführende Gedanken zur metaleptischen Musik Durch das Auftreten der Metalepse ergeben sich weitere Überlegungen für die Filmtheorie im Allgemeinen und die Tonflmtheorie im Speziellen. Einige wenige sollen im Folgenden erläutert werden: das Verhältnis von metaleptischem Ton und Bild (4.1), das Verhältnis von metaleptischem Ton und Diegese (4.2) sowie der Wahr-heitsanspruch des diegetischen Universums im Zusammenhang mit metaleptischer Musik (4.3).4.1 Das Verhältnis von metaleptischem Ton und Bild Die klassische Tonflmtheorie geht beinahe ohne Ausnahme von einem Primat des Bildes aus. Dies bedeutet, dass das Bild dem Ton vorausgeht. Der Ton dient dazu, das Bild zu unterstützen. Zwar forderten Theoretiker wie Sergeij M. Eisenstein, Vse-volod Pudovkin und Grigorij Aleksandrov in ihrem Manifest zum Tonflm (1928), dass sich der Ton vom Bild verselbstständigen soll, jedoch orientieren sich ihre Aus-führungen stark am Bild. Der von ihnen geforderte kontrapunktische Einsatz des Tons weist auf keine Eigenständigkeit des Tons hin. Der Einsatz des Tons soll dem Bild entgegenlaufen (vgl. Eisenstein, Pudovkin und Aleksandrov 2004). Dies impli-ziert, dass der Ton in seiner Entstehung und Wirkung aus dem Bild hervorgeht. Ein weiteres Beispiel: Theodor W. Adorno und Hanns Eisler (1976) weisen darauf hin, dass der Ton im Film meistens zur Nachahmung des bildlich Dargestellten dient und somit an das Visuelle gebunden ist. » Ein beliebtes Hollywood-Spottwort lautet: birdie sings, music sings. Die Musik muß den optischen Vorgängen folgen, sie illus-trieren, sei es, daß sie unmittelbar nachahmt, sei es, daß sie Clichés bemüht, die man mit dem Stimmungs- und Vorstellungsgehalt der erscheinenden Bilder assoziiert « (S. 22). Im Gegensatz zu dieser gängigen Praxis fordern Adorno und Eisler eine kommentierende und bildgegenläufge Funktion der Filmmusik. Doch auch dies beinhaltet das Primat des Bildes. Die Musik wird entgegen dem bereits vorhande-nen Bild arrangiert. Auch in der modernen Tonflmtheorie fndet sich diese Heran-