60 Ekkehard Knopke werden: Einige Teile der Tonspur sind onscreen, wie zum Beispiel der Gesang, das Schlagzeug, der Kontrabass etc., und die anderen Teile sind offscreen, wie zum Bei-spiel das gesamte Orchester abseits der genannten Instrumente. Was durch diese Be-stimmung nicht einmal im Ansatz erfasst wird, ist das stumme Bild: der visuell dar -gestellte Klang, der nicht in der Tonspur vorzufnden ist. Wir sehen beispielsweise den Trompeter an einigen Stellen eine Melodielinie spielen, obwohl er – laut Ton-spur – den Ton halten müsste. Ähnliches ist auch bei den anderen im Bild verorteten Musikern festzustellen. Da in dieser Szene die Musik vor dem Bild entstanden ist, muss in diesem Fall von einer visuellen Verfehlung ausgegangen werden.Dieses Phänomen ist nur ein weiteres Beispiel, das verdeutlicht, dass die Be-schreibung des Ton-Bild-Verhältnisses nicht nur vom Primat des Visuellen ausgehen darf. Es ist ebenso wichtig, das Bildgeschehen ausgehend vom Ton zu betrachten. In Anlehnung an die etablierten Begriffe onscreen und offscreen, soll an dieser Stelle ein dazu konträres Begriffspaar eingeführt werden: insound und outsound. Insound sind alle Ereignisse im Bild, die sich auch innerhalb der Tonspur wiederfnden. Hin-gegen sind alle klangerzeugenden Ereignisse, die im Bild sichtbar sind und sich aber nicht in der Tonspur wiederfnden lassen, als outsound zu bezeichnen. Bei-spielsweise wären in der eben genannten Szene die Sängerinnen insound und die nicht hörbare Melodielinie der Trompete outsound. Bild und Ton treffen sich da, wo der Ton onscreen und das Bild insound sind – wie die eben genannten Sängerinnen. In diesem Fall sehen wir, was wir hören und umgekehrt hören wir auch das, was wir sehen. Im Fall der metaleptischen Musik werden klangliche Ereignisse nicht im Bild dargestellt. Es gibt jedoch auch Momente, in denen die metaleptische Musik mit einem Bein im Bild steht; so zum Beispiel durch die Musiker, die » All I Do Is Dream of You « zu begleiten scheinen. Teile der musikalischen Begleitung lassen sich auf die Instrumentalisten zurückführen, andere Teile gar nicht und wiederum ande-re klangliche Teile können wir nicht hören, aber dennoch sehen. Die Klänge, die on-screen sind, können streng genommen nicht zur metaleptischen Musik gehören. Sie sind Teil der Diegese und ein weiteres Beispiel für einen intradiegetischen Teil, der auf die metaleptische Musik reagiert. Man könnte auch sagen: Bilder, die insound sind, stehen der Metalepse entgegen, da durch sie ein intradiegetischer Klang entsteht. Dennoch koppeln sie die Tonspur – und mit ihr die in ihr enthaltenen extradiegetischen Klänge – als Ganzes an das Bild. Die Klänge, die offscreen und ex-tradiegetisch sind, können hingegen durchaus zur Metalepse gezählt werden. Hier wird die Spaltung der Tonspur durch die Diegese deutlich. Dass eine musikalische Metalepse vorhanden ist, bedeutet nicht unbedingt, dass auch alle Teile der Tonspur zu ihr gezählt werden müssen. Und was ist mit den Bildern, die outsound sind? Diese sind der wesentliche Beweis dafür, wie durch die metaleptische Musik das Bild vom Ton dominiert wird. Indem z. B. der Trompeter ohne Achtung auf Authen-tizität die metaleptische Musik nachahmt, verweist er auf deren Wahrnehmbarkeit und zugleich auf seine Unterordnung. Es ist nicht mehr wichtig, dass aus seiner vi-suellen Aktion auch ein klangliches Ereignis entsteht. Viel eher generiert das Primat der Tonspur ein Bild, das für den Zuschauer authentisch erscheint. In diesem Fall ei-