» Hier spielt die Musik!« 65 Die flmische Metalepse ist ein Spiel mit der Eindringlichkeit des Wirklich-keitseindrucks. Grundsätzlich wird die Illusion nicht nur auf hohem künstleri-schen oder technischen Niveau umgesetzt, sondern es wird zugleich gezeigt, dass der hohe Impakt einer Darstellung künstlich erzeugt ist. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Strategie, die den Rezipienten ernüchtern und aus sei-ner Faszination reißen soll. Vielmehr wird er zu einem lustvollen Spiel eingela-den, seine eigene Verständnisfähigkeit an die Überwältigung eines naiven Zu-schauers zu koppeln. (Türschmann 2007, S. 111)Das Musical, das uns mit seiner offensichtlichen Künstlichkeit konfrontiert, fordert uns dazu auf, dass wir temporär unser Wissen um die Realität verdrängen. Als Be-standteil des Kinodispositivs akzeptieren wir die Welt, wie sie uns das Musical schildert. Wir akzeptieren die Tatsache, dass Musik aus dem Nichts eintreten kann, um die uns erzählte Geschichte zu authentifzieren. Wir werden jedoch nicht nur zu den eben erwähnten » naiven Zuschauern « , sondern zu noch naiveren Zuschauern. Ein normaler Film bemüht sich um einen Eindruck, der mit unseren Realitätserfah-rungen halbwegs übereinstimmt. Das Musical konfrontiert uns mit offensichtlicher Künstlichkeit, auf die wir uns wissentlich einlassen. Diese Rolle wird uns nur durch die metaleptische Musik zuteil. Wäre die Musicalmusik – wie Altman sie defniert – diegetisch, sprich: würden alle Klänge ihre Quelle in der Erzählwelt haben, wäre die Illusionsmaschinerie weniger offensichtlich. Obwohl wir also eindeutig auf unsere Lage in der Höhle des Kinos hingewiesen werden und sich unsere Fesseln lösen, klammern wir uns an den Kinosessel. Wir lassen das Sein vor der Tür stehen und wenden uns dem Schein zu, der uns mit Unterhaltung fernab der Wirklichkeit lockt. Das Musical ist demnach zutiefst eskapistisch, also auch als Fluchtpunkt aus der all-tagsweltlichen Wirklichkeit zu betrachten. Fazit Die zurückliegenden Ausführungen zeigen uns die Grenzen der etablierten Begriffe zur Klangverortung im Film. Am Beispiel der Musik des Musicals Singin' in the Rain wird ersichtlich, dass es neben der extra- und intradiegetischen Musik noch eine dritte Form gibt: die metaleptische Musik. Diese dringt von der Extradiegese in die Erzählwelt ein und wird dadurch zu einem gleichzeitig anwesenden und abwesen-den Klangphänomen. Sie zeigt zudem, dass es dem Ton im Film gestattet ist, sich über das Bild und die Diegese zu stellen und zum generativen Motor des flmischen Universums zu werden – zugunsten einer offensichtlichen Künstlichkeit. Inwiefern der Begriff der metaleptischen Musik jenseits des Musicals verwendet werden kann, muss erst durch zukünftige Forschungen verdeutlicht werden. Sicher ist jedoch, dass es sich hierbei um einen Begriff handelt, der das Hauptaugenmerk der Filmtheorie weg vom Bild und hin zum Ton verschiebt.