Musikclips, Tierrechte und Ästhetik: Sepultura – » Convicted in Life « 87 kulturellem Mainstream und Subkulturen als Botschafter_ innen und Mitstreiter_ in-nen gewinnen konnte. Tierrechte sind im Zuge dieser wechselseitigen Verknüpfung-zu einem wiederkehrenden popmusikalischen Thema geworden, sowohl in Songs als auch in Musikclips. In diesem Artikel wurde am Beispiel des Clips zum Song » Convicted in Life « von Sepultura die meinungsbildende Funktion von Musikvideos untersucht. Im Zu-sammenhang damit wurden aber auch die ästhetischen Implikationen dieser Funk-tionalisierung für den Clip und die ästhetisch-semantische Differenz zwischen dem Song als Gegenstand auditiven Erlebens und Teil eines Divina-Commedia-Konzept-albums einerseits, sowie dem Clip als nicht-reduzierbarem audiovisuellem Kom-plex andererseits, thematisiert. Die semantische Vagheit des Songs, eingebettet in einen düsteren und aggressiv-rohen Sound, ist die Lücke, welche die relative Ein-deutigkeit des audiovisuellen Bedeutungsangebots des Musikvideos ermöglicht, nämlich die Anklage gegen industrielle Tierproduktion und Umweltzerstörung,einer Bedeutung, die beim alleinigen Hören des Songs in keiner Weise naheliegt.Der » Convicted in Life « -Clip ist nicht bloß als Video intendiert, welches für die Agenda von PETA werben soll. Es soll selbstverständlich auch für Sepultura und die Musik der Band werben und ebenso gute Einschaltquoten erzeugen. Ökonomi-sche und politische Interessen stehen hier aber in keinem notwendigen Konfikt zu-einander, sondern lassen sich miteinander vereinbaren, nicht zuletzt, weil die Ästhe-tik des Tierrechtsaktivismus im Stile PETAs mit Metal-Ästhetik und politischen Grundhaltungen in Teilen der Metal-Szene vereinbar ist.Joe Gow (vgl. 1994, S. 85-86) bemerkte hinsichtlich der von ihm analysierten » Top 200 « -Musikvideos mit politischen Inhalten, dass die Clips zwar Missstände darstellen, aber keine Anregungen zu politischem Handeln liefern. Eine isolierte Be-trachtung des » Convicted in Life « -Videos könnte zu einer ähnlichen Schlussfolge-rung kommen. Durch die Verknüpfung mit Interviews und anderen PR-Aktivitäten werden den Rezipient_ innen jedoch Handlungsmöglichkeiten angeboten, nämlich Engagement für Tierrechte, insbesondere natürlich bei PETA, oder zumindest ein in-dividueller Lebenswandel, der auf Tierrechte Rücksicht nimmt.Die Analyse der Kommentare zu dem Video bei YouTube lieferte deutliche Hinwei-se, dass die politische Intention erkannt wird und eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Thema Tierrechte tatsächlich angeregt wird. Die Intensität und Qualität dieser Auseinandersetzung, insbesondere, ob sie praktische Konsequenzen für die Rezipient_ innen hat, kann mit den hier zur Verfügung stehenden Daten und Mitteln jedoch nur schwer beurteilt werden. Aus methodologischer Sicht muss daher Susan-ne Sackls Appell zu qualitativ orientierten Rezeptionsstudien, die für das soziale Feld der Rezipient_ innen sensibel sind, bekräftigt und verallgemeinert werden.29 Fragen der Videoclipästhetik, d. h. nach der Art und Weise, in der Musik-videos erlebt werden, und danach, welche Signifkanz sie für ihr Publikum haben, dürfen nicht nur aus der Sicht der Produzent_ innen des Erlebnisangebots und in Bezug auf ihre Intentionen untersucht und diskutiert werden, sondern vor allem 29 Siehe Susanne Sackls Beitrag im vorliegenden Band.