Geschlechterbilder in Videoclips 95 schlechterwissen umfasst erstens die » Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit « , die Dölling als Alltags- und Erfahrungswissen beschreibt, das im Alltag unrefek- tiert reproduziert wird. Über die zweite Ebene des Expertenwissens wird dies ent-weder zusätzlich affrmiert oder aber auch kritisch refektiert. Dadurch wird ein Wissen erzeugt, das Aussagen über die gesellschaftliche Verfasstheit und Struktu-riertheit des Geschlechterverhältnisses zulässt. Das popularisierte Wissen, das etwa von Medien bereitgestellt wird, stellt drittens ein Deutungsangebot für Individuen oder soziale Gruppen zur Verfügung und umfasst sehr unterschiedliche, teilweise auch konkurrierende, Wissensbestände. Somit existieren eine Vielzahl von Deu-tungsmustern, die in gewissen Teilsystemen und Feldern einer Gesellschaft eine Ei-genlogik entwickeln können. Dölling bietet damit, anders als Hirschauer, eine Theo-rie eines Wissenssystems an, die zumindest in gewissen Bereichen der Gesellschaft auch die Modifkation und Umdeutung von Wissen als Möglichkeit offen lässt (vgl. S. 114–115).(2) Das subjektive oder individuelle Geschlechterwissen umfasst einen biogra-fsch aufgeschichteten Wissensbestand, der sowohl inkorporiertes und habitualisier-tes Wissen als auch kognitives und refexives Wissen beinhaltet, und mit Hilfe des-sen die Personen ihre Welt deuten. Die Ausbildung dieses individuellen Geschlech-terwissens hängt dabei mit den Angeboten des kulturellen Wissensbestandes zu-sammen, wobei nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft über dieselben Möglichkei-ten der Aneignung verfügen. Darüber hinaus werden je nach Position und Feld an-dere Wissensbestände abgerufen und angewendet (vgl. S. 116–120).(3) Eng damit zusammen hängt das feldspezifsche Geschlechterwissen, wo-durch Dölling schließlich auch noch einmal explizit den Handlungskontext in ihre Typologie mit einbezieht. Wetterer (2008) fasst dies folgendermaßen zusammen: » Das jeweils handlungsrelevante individuelle Geschlechterwissen beruht auf viel-fältigen, je verschiedenen und je verschieden zusammengesetzten, ›Anleihen‹ beim kollektiven Geschlechterwissen, die einerseits biografsch geprägt sind und anderer-seits den Spielregeln Rechnung zu tragen suchen, die in dem sozialen Feld dominie-ren, in dem die Akteurinnen und Akteure sich aktuell zu positionieren suchen « (S. 30; Hervorhebung im Original). Die Relation zwischen kollektivem und indivi-duellem Geschlechterwissen ist je nach Kontext unterschiedlich, weshalb das felds-pezifsche Geschlechterwissen als eine wertvolle Erweiterung zu den bisher vorhan-denen Theorien zu Wissensformen angesehen werden kann und vor allem in Hin-blick auf unterschiedliche musikalische Felder (etwa HipHop, Metal, Punk) für die-se Arbeit von Bedeutung ist. 2. Zur Analyse traditioneller Geschlechterbilder in Videoclips Seit den 1980er Jahren wurden Studien zu Geschlechterbildern in Videoclips durch-geführt. In dieser Anfangszeit beschäftigten sich vor allem Forscherinnen und For -scher aus den Sozialwissenschaften und den Medienwissenschaften mit dieser The-matik. Auffällig ist, dass es aus den Musikwissenschaften keine relevanten Studien