Geschlechterbilder in Videoclips 97 theoretische Basis dieser Studie ist nicht zur Gänze ersichtlich, die Einteilung der Berufe in stereotyp männliche und stereotyp weibliche wurde ohne Vorstudien vom Forscher vorgenommen. Zum Teil ist diese Einteilung auch aus heutiger Sicht noch nachvollziehbar, zum Teil allerdings nicht. Für die Validität der Ergebnisse wären daher unabhängige Vorstudien von Nöten gewesen, da der Forscher in diesem Fall lediglich auf Basis seines Alltagswissens vorgegangen ist und dieses nicht mit dem Alltagswissen von anderen Personen, etwa durch Interviews, Fragebögen oder Me-dienanalysen, abgeglichen hat. Diese Studie von Seidman beinhaltet ferner auch weitere Punkte, die für die For -schung dieser Zeit kennzeichnend sind. Erstens handelt es sich um eine reine In-haltsanalyse und einer Vernachlässigung der Rezeptionsseite, was vor allem im mo-ralisch-pädagogischen Diskurs, in dem einige dieser Studien zu verorten sind, ver-wunderlich ist, da der implizite Tenor meistens die Angst vor der negativen Beein-fussung von jugendlichen Rezipientinnen und Rezipienten durch Videoclips ist. So-mit kann das individuelle Geschlechterwissen nicht in die Untersuchung integriert werden. Zweitens ist auch hier eine fehlende Differenzierung nach musikalischen Genres zu bemängeln. Diese werden überhaupt nicht thematisiert, weshalb wertvol-le Kontexte in der Auswertung der Ergebnisse verloren gehen und auch etwa das feldspezifsche Geschlechterwissen nicht erhoben werden kann. Drittens werden in dieser Studie die Text- und Musikebene zur Gänze ausgeschlossen, was aufgrund der eigentlich stattfndenden audiovisuellen Wahrnehmung,8 das heißt, der simulta-nen Wahrnehmung aller drei Videoclipebenen Bild, Text und Musik, verwunderlich erscheint. Es wird implizit von einer künstlichen Rezeptionssituation ausgegangen, die mit der realen Lebenswelt der Rezipientinnen und Rezipienten nicht mehr über-einstimmt. Ein Thema, das in dieser ersten Phase der Videoclipanalysen neben allgemeinen geschlechterspezifschen Geschlechterdarstellungen und Geschlechterstereotypen häufg untersucht wurde, ist die sexistische Darstellung von Personen. Beispielhaft hierfür kann die Studie von Barry L. Sherman und Joseph R. Dominick (1986) ange-führt werden, in der sie sich unter anderem der Darstellung von Sexualität widme-ten. Aufgrund eines sehr weiten Verständnisses von Sexualität kamen sie zum Er-gebnis, dass in über 75 % der untersuchten Videoclips sexuelle Intimität dargestellt wird, wobei dies meist implizit in Form von Flirts oder nicht-intimen Berührungen geschieht. Die Autoren fassen ihre Studie daher folgendermaßen zusammen: » Mu-sic videos are violent, male-orientied, and loden with sexual content « (S. 92), wobei Frauen häufger sexistisch dargestellt werden als Männer. So tragen Frauen in ca. 50 %, Männer hingegen nur in ca. 10 % aller Videoclips der Stichprobe » provocative clothing « . Auch hier wird weder nach Genres differenziert, die Musik- und Textseite werden ausgeblendet und die Defnition, was unter Sexualität oder intimen Berüh-8 Nähere Ausführungen zur audiovisuellen Wahrnehmung befnden sich im Artikel » See the Sound – See the Body. Visuelle Aspekte musikalischer Kommunikation in musikalischen Aufführungen « von Tobias Neuhold in diesem Band.