100 Susanne Sackl theoretischen Hintergründe und Fragestellungen dieser Studien nochmals vor Au-gen führt. Ferner kann dies auch als eine Art politischer Protest der Forscherinnen und Forscher gedeutet werden, die aktiv nach oppositionellen Geschlechterbilder, die sich somit gegen die » Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit « und gegen pa-triarchale Strukturen wenden, gesucht haben. Klaus Neumann-Braun und Lothar Mikos haben in einer Zusammenfassung der wesentlichen Studien zu dieser The-matik im Jahr 2006 drei Strategien identifziert, die dabei eingesetzt wurden. Dabei wird ersichtlich, dass trotz teilweiser vorhandenen Theorien aus den Bereichen der Geschlechterforschung durch eine Betonung von männlichen und weiblichen Eigen-schaften innerhalb dieser Ergebnisdarstellung dennoch implizit an der differenz-orientieren Frauenforschung festgehalten wird. Die identifzierten Geschlechterbil-der lassen sich folgendermaßen kategorisieren:(1) Imitation männlicher Geschlechterstereotypien. Durch das Imitieren und Übernehmen männlicher Geschlechterstereotype von Frauen kommt es zu einem Bruch mit jenen Erwartungen, die dem traditionellen Frauenbild zugrunde liegen. Beispielhaft kann hier Courtney Love genannt werden, die ihr Image rund um das Motto » Sex, Drugs and Rock’n’Roll « aufbaute, das bis dahin hauptsächlich von Männern gelebt wurde. Die Übernahme des männlichen Rock-Habitus von Frauen steht nach Ute Bechdolf (1999) in Verbindung mit dem Griff nach Macht, der in den Videoclips über aggressives oder gewalttätiges Verhalten, teilweise auch gegenüber Männern, zum Ausdruck gebracht wird. Dadurch kommt es zu einer » Inversion der Geschlechterhierarchie « (Neumann-Braun und Mikos 2006, S. 46), die nach Erika Funk-Hennings (2003) etwa bei Tic Tac Toe beobachtet werden kann. (2) Selbstbehauptung durch weibliche Qualitäten. Hierzu zählt zum einen der aktive, » give women a voice « -Protest gegen die Diskriminierung von Frauen. Als Videoclipbeispiele können etwa Tina Turners » Typical Male « , Suzanne Vegas » Luca « oder Janet Jacksons » Nasty « genannt werden. Außerdem wurde in der Riot-Grrrl-Bewegung, etwa in Videoclips von Hole, Bikini Kill oder Babes in Toyland, so-wie bei kritischen Rapperinnen wie Monie Love und Queen Latifah entsprechende Kritik geäußert (vgl. Blume 1996, S. 33–34; Neumann-Braun und Mikos, S. 46–47). Zum anderen beschäftigen sich Lisa Lewis (1990, 1993) und Dafna Lemish (2003) in ihren Studien mit so genannten » female address videos « , in denen Praktiken weib-licher Adoleszenz dargestellt werden und gegen männliche Privilegien sowie gegen elterliche Vormundschaft rebelliert wird. Nach Angela McRobbie (1994) und Lemish (2003) kommt es dadurch zu einer Legitimierung weiblicher Übergangsriten, die etwa in Videoclips von den Spice Girls oder Cindy Lauper dargestellt wird. Durch diese Präsenzgewinnung weiblicher Praktiken im Allgemeinen, und vor allem durch das Darstellen von rebellierenden, dem traditionellen Frauenbild widerspre-chenden Praktiken, werden traditionelle Geschlechterbilder aufgeweicht (vgl. Neu-mann-Braun und Mikos 2006, S. 47–48).(3) Ironisch-kritischer Umgang mit Geschlechtsidentität und Geschlechterdiffe-renz. Traditionelle Frauenbilder werden in einigen Videoclips über Parodien iro-nisch-kritisch diskutiert. Dadurch werden bestehende Geschlechterbilder und Ge-