134 Jonas Traudes Experte für folkloristische Instrumente und wurde dafür unter anderem für das er-folgreiche Fantasy-Rollenspiel Gothic 3 (Piranha Bytes, Oktober 2006) hinzugezogen.Es gibt gravierende Unterschiede zwischen dem Komponieren für den Film und für Computerspiele, über die uns Slavov in seinem Vortrag aufklärt und die die enorme Herausforderung des neueren Mediums ausmachen. Kurz gesagt: Die Er-eignisse in einem Computerspiel sind nicht vorhersehbar. Die Aufgabe des Kompo-nisten oder der Komponistin ist es also nicht, wie beim Film, zur festgelegten Folge der Bilder eine adäquate lineare musikalische Gestaltung zu liefern, denn erst die individuellen Entscheidungen der Spielerin oder des Spielers bestimmen die Ereig-nisfolge. Es kann im Computerspiel dazu kommen, dass musikalische Passagen wiederholt werden müssen – und doch nicht langweilig werden dürfen! Immerhin fünfeinhalb Stunden Musik bildet das immer wieder neu kombinierbare Ausgangs-material bei Crysis 2, das aus live eingespielten Orchesterinstrumenten ebenso be-steht, wie aus fremdartig klingenden elektronischen Klängen, welche der Spielerin oder dem Spieler die Bedrohung der Alien-Invasion in Erinnerung rufen sollen (Sla-vov und Campbell 2011a).Musik, die im Computerspiel auf menschliche Entscheidungen in irgendeiner Weise reagiert, » interactive music « also, ist längst ein Standard. Slavovs Ansatz ei -ner » adaptive music « bei Crysis 2 geht darüber eigentlich hinaus: Die Musik soll sich auch an der Umgebung, der Situation und der Spielgeschichte orientieren, sich eben möglichst umfassend und unmittelbar anpassen. Besonderer Wert wurde in Crysis 2 dabei auf die Adaption des jeweiligen Verhaltensmusters, des » gameplay style « der Spielerin oder des Spielers (zum Beispiel aggressiv oder zurückhaltend) gelegt. Diese Form der adaptiven musikalischen Gestaltung eigne sich jedoch nicht nur für Ego-Shooter, meint Slavov. Von » adaptive music « würden alle Arten von Spielen proftieren, die ein tieferes oder erweitertes Spielerlebnis ermöglichen sol-len. Denn » Increase experience!« , so die Losung Slavovs, scheint – so selbstver-ständlich wie dieser das sagt – die leitende Maxime bei Computerspielmusik über-haupt zu sein. In einem Interview vom Februar 2011 hat Slavov diesen Anspruch einmal so erklärt: » We wanted to make the player feel not only tension by listening to the music, but to experience a full range of human emotions like Fear, Sadness, Loneliness, Anger, Anticipation and Uncertainty « (Slavov und Campbell 2011a; Her-vorhebungen im Original). Die Musik soll hier also Teil der im Spiel angenomme-nen Identität und ihrer als real erlebten Emotionen werden, ein immersives Mo-ment, das eine grundsätzlich andere ästhetische Funktion besitzt, als eine bloße Il-lustration des Geschehens durch Musik.Nach welchen Regeln sich die komponierte und aufgenommene Musik der aktu-ellen Spielumgebung und dem Verhalten der Spielerin oder des Spielers anpasst, dafür sorge eine gute Implementierung in das Spiel, und zwar jeweils » in the right place, in the right time « , so Slavov. Hier zahlt sich das Informatikstudium aus, denn es dreht sich dabei schlicht auch um technische Fragen der Programmierung. » I don’t want to be just a composer « , betont er und hebt den Wert einer guten Integra-tion der Musik gerade für das Spielerlebnis hervor. Komposition und Implementie-