MEDIEN - SYSTEME - UMWELTEN 31 nicht mehr das von außen registrierte Ereignis, so wie es ist, sondern es hat schon ein Übersetzungsprozeß in die dem Gehirn verständliche ‘Sprache’ stattgefunden. „Bei diesem Übersetzungsprozeß aber geht das ‘Original’ verloren.“1 Das Nerven-system ist demnach angewiesen, den nur in der Frequenz unterschiedenen, aber an-sonsten immer gleichen Signalen selbst Bedeutung zuzuweisen. Das heißt also, wenn das Nervensystem als ein von der Außenwelt abgeschlossenes System ope-riert, so müssen alle innerhalb dieses Systems prozessierten Gedanken oder Er-kenntnisse von dem System selbst generiert und entwickelt sein. Ohne diese Ei-gengeneration von Gedanken, von Sinn wäre Bewußtsein ausgeschlossen. Mehr noch: würde nicht Gedanke an Gedanke angefügt sein, würde das Bewußtseinssys-tem aufhören zu existieren. Allgemeiner formuliert: Alle ein System erhaltenden Elemente erzeugt das jeweilige System - durch rekursive Schließung - aus sich selbst heraus. „Operationelle (selbstreferentielle, rekursive) Schließung besagt, daß die eigenen Operationen des Systems sich nur im Netzwerk der eigenen Operatio-nen dieses Systems, also nur im Rückgriff auf andere eigene Operationen dieses Systems, produzieren und reproduzieren lassen.“2 Systeme mit der Fähigkeit zur Selbsterhaltung durch Selbstproduktion der zur Selbsterhaltung notwendigen Sys-temelemente werden im Sinne der Systemtheorie als selbstreferentiell operierende oder auch als autopoietische Systeme bezeichnet. Die operative Geschlossenheit ist notwendige Bedingung für die Aufrechterhaltung der Autopoiesis und damit für die Existenz des Systems. Gerade durch die Geschlossenheit des Systems ist des-sen Offenheit für die Umwelt gewährleistet. „Ohne Differenz zur Umwelt gäbe es nicht einmal Selbstreferenz, denn Differenz ist Funktionsprämisse selbstreferenti-eller Operationen. [...] In diesem Sinne ist Grenzerhaltung (boundary maintenance) Systemerhaltung.“3 Nur durch das Abgrenzen von der Umwelt ist die Möglichkeit zur Ausbildung einer Eigenkomplexität mitgesetzt, denn Eigenkomplexität oder eine „Steigerung von stabilisierbarer Unwahrscheinlichkeit“ innerhalb von Syste-men kann nur deshalb erfolgen, weil Grenzen, „indem sie definieren was ausge-schlossen ist, zugleich die Bedingungen definieren, unter denen das Eingeschlos-sene auf sich selbst verwiesen ist.“4 Das Verhältnis von System zur Umwelt ist da-bei ausgezeichnet durch ein „Komplexitätsgefälle“, wobei das System durch aus-schließlichen Selbstkontakt Eigenkomplexität ausbildet und über den Selbstkontakt der Umweltkontakt ermöglicht wird.5 Autopoietische Systeme operieren danach schen langsameren und schnelleren Folgen von Klicks. „Das heißt, ‘Klick’ ist das Vo-kabular der Nervensprache“ (ebd., S. 138). 1 Schmidt, Siegfried J.: Der Radikale Konstruktivismus. Ein neues Paradigma im inter-disziplinären Diskurs. In: Ders (Hg.): Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus, a.a.O., S. 14f. 2 Luhmann, Niklas: Sozialsystem Familie. In: Ders.: Soziologische Aufklärung 5. Opla-den 21993, S. 198 3 Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Ffm 41993, S. 35 4 Willke, Helmut: Systemtheorie. Stuttgart/Jena 41993, S. 63 5 Vgl. Luhmann, Niklas: Vorbemerkung zu einer Theorie sozialer Systeme. In: Ders.: Soziologische Aufklärung 3. Opladen 31993, S. 18f.