34 THEORIEGRÜNDE nahme einer Kommunikation vorausgesetzt werden kann, bedarf es bestimmter systeminterner Operationen, wie der der „doppelten Kontingenz“. Gemeint ist da-mit, daß ein psychisches System, welches eine Kommunikationsofferte startet, an diese bestimmte Erwartungshaltungen knüpft, die gerichtete Information also von vornherein so gestaltet ist, daß ein Verstehen signalisierende Erwartungshaltungen anknüpfbar sind und zugleich, unter der Annahme, andere Systeme würden dem eigenen ähnlich operieren, die eigenen Verhaltensweisen von denen des anderen abhängig gemacht werden. Anders ausgedrückt: Das erwartete Verhalten des ande-ren bestimmt schon im Vorfeld das eigene Verhalten. Einander zu verstehen, setzt also Selektionsleistungen psychischer Systeme voraus, an die bestimmte Erwar-tungen geknüpft sind. Werden diese bestätigt, darf Verstehenskonsens angenom-men werden und Anschlußkommunikation statthaben. Aber auch oder gerade auch im gegenteiligen, Dissens produzierenden Fall, wird Anschlußkommunikation die Folge sein, bis daß Erwartungen erfüllt und Konsens erzielt ist. „Erwartung ent-steht durch Einschränkung des Möglichkeitsspielraumes. Sie ist letztlich nichts an-deres als diese Einschränkung selbst“.1 Es bleibt dabei die Frage bestehen, wieso überhaupt ähnliche Verhaltensstruktu-ren erwartet werden dürfen, da Kommunikation im wesentlichen ein Selektions-prozeß mit zunächst einmal unzählig vielen kontingenten Anschlußmöglichkeiten ist. Kommunikation ist nach Niklas Luhmanns Kommunikationsmodell ein dreige-teilter Selektionsprozeß, ausdifferenziert in die Selektionen „Information“, „Mittei-lung“, „Verstehen“. Durch diesen Selektionspluralismus ist die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges einer Kommunikation weiter minimiert, da der Kommunikations-vorgang als solcher die Selektivität weiter verstärkt, was somit jedweder Zielge-richtetheit entgegensteht. „Ein Kommunikationsprozeß verbindet nicht Fakten oder Daten in ihrer puren Faktizität, sondern Selektionen - das heißt Ereignisse, die so oder auch anders ausfallen könnten und insofern Informationswert haben. Ferner ist Kommunikation immer eine dreistellige Relation, bei der alle drei Stellen kon-tingente Selektionen repräsentieren. 1. ein Sachverhalt, der so oder auch anders be-schaffen sein könnte; 2. ein Kommunikator, der über diesen Sachverhalt reden oder auch nicht reden könnte; und 3. ein Empfänger, der die Mitteilung verstehen oder nicht verstehen, akzeptieren oder nicht akzeptieren kann. Kommunikation ist ein Prozeß, der auf Selektionen selektiv reagiert, also Selektivität verstärkt.“2 Erst in der Einheit des Auftretens dieser drei Selektionen entsteht Kommunikation. Bedingt durch die sich gegenseitig verstärkenden Selektionen werden zahllose Erwartungsenttäuschungen mitgesetzt, was Kommunikation wiederum gefährdet, denn wo keine Erwartungsstrukturen bestätigt werden und damit kein Verstehen signalisiert wird, dürfte Kommunikation alsbald wieder eingestellt werden. „Man wird Kommunikation unterlassen, wenn Erreichen von Personen, Verständnis und 1 Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, a.a.O., S. 397 2 Luhmann, Niklas: Veränderungen im System gesellschaftlicher Kommunikation und die Massenmedien. In: Ders.: Soziologische Aufklärung 3, a.a.O., S. 314/315