PHONOGRAPH - SCHALLPLATTE 49 Klangereignisse als Ergebnisse einer Bauchrednerkunst bezeichnet.1 Mit dem Pho-nographen endet die Geschichte einer Vielzahl von Legenden wie vergeblicher menschlicher Bemühungen, den sich verflüchtigenden Klang zu bewahren. „In der babylonischen Mythologie gibt es einen Hinweis auf einen besonders konstruierten Raum in einer der Zickurate, wo geflüsterte Worte ewig erhalten blieben. Es gibt einen ähnlichen Raum in der Ali-Qapu-Moschee in Isfahan, [...]. [...]. In einer ural-ten chinesischen Legende besitzt ein König ein geheimnisvolles schwarzes Käst-chen, in das hinein er seine Befehle spricht, worauf er das Kästchen in seinem Kö-nigreich herumschickt, damit seine Untertanen die Befehle ausführen.“2 Auch be-darf es nun zur Realisierung der vermeintlichen Bauchrednerkunst weder bleierner Röhren, in denen noch der Physiker Giovanni Battista Porta 1589 Worte aufzufan-gen trachtete, noch zum Einfangen des Echos von Worten besonders präparierter Flaschen, wie es sich der Nürnberger Optiker F. Gründel vorstellte.3 Wenngleich der zu leistende technische Aufwand den bleierner Röhren und prä-parierter Flaschen übertrifft, so sind doch beileibe keine aufwendig konstruierten Räume vonnöten, um die dem Klang immanente flüchtige Präsenz zu fixieren. Grundsätzlich ist der Aufzeichnungs- und Wiedergabevorgang selbst gekennzeich-net von höchster Einfachheit: „Von der Membran eines Aufsprechmundstücks wurden die Sprach- oder Tonschwingungen auf einen Stift übertragen, der sie in Tiefenschrift in das Stanniol einritzte. Dabei wurde, ähnlich wie beim Rußschrei-ber, durch das seitliche Wandern der Walze eine schraubenförmige Fortsetzung der Schreibrille herbeigeführt. Der Vorgang war reproduzierbar: die Rille wurde wie-der abgetastet, die Aufzeichnung über die Membran des Mundstücks und einen schallverstärkenden kleinen Wiedergabetrichter, den man auf das Mundstück auf-setzte, hörbar gemacht.“4 In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als der Phonograph längst technisch verwirklicht war, hieß es, im Phonographen „mehr oder weniger eine Art Spielzeug“5 zu sehen, war doch die Tragweite dieser Erfin-dung für die Musikwelt noch nicht abzusehen, „[d]aß der aus Walze, Stanniolpa-pier, Metallmembran und Edelsteinstift bestehende Apparat bestimmt war, eine neue Epoche der Musikgeschichte vorzubereiten“.6 Vom technischen Standpunkt her gesehen hängt also die Möglichkeit der Ein-schreibung nicht von technischen Fertigkeiten ab, die nicht schon seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten verfügbar gewesen wären, wie auch ein Bericht von Rainer Maria Rilke vom Anfang des 20. Jahrhunderts (1919) eindrucksvoll veranschaulicht. In einer Beschreibung seines Physikunterrichtes macht er deut- 1 Vgl. Goslich, Siegfried: Musik im Rundfunk. Tutzing 1971, S. 126 2 Schafer, R. Murray: Klang und Krach. Ffm 1988, S. 121 3 Vgl. Grivel, Charles: Phonographie. In: Kittler, Friedrich A./ Tholen Georg Christoph (Hg.): Arsenale der Seele. München 1989, S. 42/43 4 Goslich, Siegfried: Musik im Rundfunk., a.a.O., S. 126 5 Thomas Alva Edison, zitiert nach: Blaukopf, Kurt: Hexenküche der Musik, a.a.O., S. 82 6 Ebd., S. 82