Computeruniversalität „Es ist unmöglich, ein Werkzeug voll zu benützen, dessen Wesen man nicht ver-standen hat.“1 Der „Computer in der Kunst gibt sich“, wie Rainer Wehinger meint, „als Werk-zeug zu erkennen“2, doch im Unterschied zu traditionellen Werkzeugen sind Com-puter zunächst einmal Apparate, die für sich genommen kein sinnvolles Operieren erlauben und damit keinen spezifischen Zweck erfüllen und demnach den traditio-nellen Werkzeugen gegenüber eine gänzlich neue Qualität ausbilden.3 Es sind Ap-parate, die sich je nach Programm dazu in der Lage zeigen, „das Verhalten jeder diskreten Maschine nachzuahmen.“4 Mit anderen Worten: Der Computer ist - nach Alan Turing, der die bislang immer noch einzig gültige Funktionslogik5 aller Computer erstmals theoretisch6 definierte - eine „universale Maschine“. Und die 1 Flusser, Vilém: Lob der Oberflächlichkeit. Schriften Bd. 1. Bensheim/Düsseldorf 1993, S. 191 2 Interview mit Rainer Wehinger, in: Harenberg, Michael: Neue Musik durch neue Technik? Kassel/Basel/London/N.Y. 1989, S. 146 3 Wenn vom Computer die Rede ist, so ist im weiteren Verlauf des Textes immer der Digitalrechner gemeint. Sofern Analogrechner angesprochen sind, wird explizit darauf hingewiesen. 4 Turing, Alan: Intelligence Service. Berlin 1987, S. 159 5 Jene Funktionslogik besagt, daß eine Maschine, um Universalität zu beweisen, einzig aus zwei Teilen bestehen muß: 1. bedarf es endlicher, während des Betriebes unverän-derlicher Verknüpfungsregeln und 2. braucht es ein Band von unbegrenzter Länge mit darauf abgelegten codierten und zu verändernden Informationen. Die Maschine kennt, während sie operiert, immer nur zwei Zustände: 1. ihren eigenen Programmstatus und 2. die jeweils gelesene Information auf dem zugeführten Leseband. Diese einzelne zu-geführte im Speicher befindliche Information ist veränderbar, das heißt, sie kann gele-sen, in eine andere transformiert werden, auf dem Band gelöscht und durch die neue ersetzt werden. Die Maschine besitzt also die Fähigkeit zum Lesen, Schreiben, Lö-schen. Das einzelne Abarbeiten von Information impliziert zugleich die Notwendigkeit des strikten Nacheinanders, also des Prinzips der Sequentialität. Alles in diesem Sys-tem funktioniert zwingend logisch und notwendigerweise. Die einzige Variable inner-halb dieses geschlossenen Systems ist das Band mit den zugeführten Informationen. Damit ist das Prinzip beschrieben, nach dem alle heutigen allgemeingebräuchlichen Computer arbeiten. 6 Zu betonen ist, daß jene entworfene Maschine ein reines Gedankenkonstrukt ist, also nicht über irgendwelche hardwaretechnische Entwicklungen erarbeitet wurde, sondern auf reiner Gedankenarbeit beruht. Beim Entwurf seiner universalen Maschine konkre-tisierte Alan Turing seine Idee am Beispiel eines mit Papier und Bleistift ausgestatte-ten Menschen, der sich mit strikter Disziplin den vorgelegten Regeln unterwirft und die auf dem Blatt Papier vorgelegten Informationen nacheinander abarbeitet und mit dem Bleistift gemäß den Regeln manipuliert. Diese Kombination aus Papier, Bleistift