Softwareindividuationen Computer haben die Fähigkeit, aus bestimmten Vorgaben neues Wissen zu er-schließen und daraus Konsequenzen für ein bestimmtes Handeln abzuleiten. Die Möglichkeit, Daten zu gewichten und entsprechend einer solchen Bewertung, so oder so zu verfahren, ist das Ergebnis bedingter Sprunganweisungen. Neues Wissen zu generieren und daraus Entscheidungen abzuleiten, ist - mit Friedrich Kittler - nun zum ersten Mal nicht mehr ein dem Menschen vorbehalte-nes Privileg. Ein bestimmter INPUT bedingt nicht unbedingt einen vorher determi-nierten, bekannten OUTPUT. Der OUTPUT bleibt also in der Schwebe und kann sich nach einem jeden weiteren Programmdurchlauf auch anders darstellen. Möglich wird das durch IF-THEN-Anweisungen, was also meint, daß dem Computer in ei-nem bestimmten Rahmen, der durch das Programm gesetzt wird, Entscheidungs-freiheit übertragen wird. FALLS im Programmdurchlauf ein bestimmter vorab de-terminierter Zustand erreicht wird, DANN soll das Programm zu einer anderen Pro-grammroutine verzweigen, also eine bedingte Sprunganweisung durchführen und mit dem Abarbeiten der dort vorgefundenen Befehlsfolgen fortfahren. Dieses Zu-billigen einer rahmenbegrenzten Entscheidungsfreiheit führt Kittler zu der Folge-rung: „Eine einzige Rückkopplungsschleife - und Informationsmaschinen laufen den Menschen, ihren sogenannten Erfindern, davon. Computer werden selber Sub-jekte.“ 1 Anders ausgedrückt läßt sich festhalten, daß der Computer als eine nicht-triviale Maschine zu bezeichnen ist, dessen innere Zustände Folgeoperationen be-einflussen und aufgrund dessen selbst ein immer gleicher INPUT trotzdem unter-schiedliche OUTPUTs bedingen kann. Der errechnete OUTPUT vermag Einfluß auf den inneren Zustand des Programmes zu nehmen. Die eigene Vergangenheit (der vom OUTPUT beeinflußte interne Zustand) fließt mit in das folgende Processing ein. Nicht-triviale Maschinen sind folgendermaßen charakterisiert. Sie sind: „ 1. synthetisch determiniert; 2. analytisch unbestimmbar; 3. vergangenheitsabhängig; 4. unvoraussagbar.“2 Ganz entgegengesetzt dazu verhalten sich sogenannte triviale Maschinen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß bei identischen INPUTs zugleich immer auch der gleiche OUTPUT erwartet werden darf. Ein Kaugummiautomat beispielsweise wäre in diesem Sinne eine triviale Maschine. Das Einwerfen einer Münze wird einen Automatismus in Gang setzen, an dessen Ende immer der Erhalt einer Kaugummi-kugel stehen wird. Nichts wird sich je am Ergebnis - vorausgesetzt, der Mechanis-mus funktioniert einwandfrei - ändern. Ein anderes populäres Beispiel bietet der schon im Jahre 1805 durch Lochstrei-fen gesteuerte Webstuhl von Jacquard, der genau wie der Computer schon mit 1 Kittler, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter, a.a.O., S. 372 2 von Foerster, Heinz: Entdecken oder Erfinden. Wie läßt sich das Verstehen verstehen? In: Gumin, Hein/Meier, Heinrich (Hg.): Einführung in den Konstruktivismus. Mün-chen 1992, S. 66