PROGRAMMIERER 109 nem Anwender erzieltes musikalisches Ergebnis ist immer auch von Bildschirmge-staltung (oder bei Hardwaresequencern von der Displaygestaltung) abhängig. Auch für diese zeichnet der Programmierer verantwortlich, und er ist somit auch ganz fraglos Mit-Initiator oder Komponist einer softwaregenerierten Musik. Computer-musikwerke sind das Ergebnis zahllos geführter Dialoge, bei dem die Dialog-partner nicht miteinander in Kontakt treten und nicht einmal von der Existenz des anderen Kenntnis haben müssen. Einen Computerdialog - wie in dem beschriebe-nen Sinne - zu führen, heißt immer, „daß in der Regel ein Kommunikationspartner (‘Benutzer’) in einen mehrfach gebrochenen Dialog mit einer ganzen Gruppe von Partnern tritt. Diese wissen nichts von der konkreten Kommunikation. Sie haben in der Form von Programmen und Systemen von Programmen Fragen vorformuliert und Antworten als Daten oder algorithmisch gespeichert. Der Benutzer ruft sozu-sagen nur die eine oder andere Antwort aus einer eventuell großen Vielfalt, die un-endlich sein mag, von Dialogen ab.“1 Ein rechnergestütztes Musikstück ist das Ergebnis aus der Zusammenarbeit zahlreicher Instanzen, zu denen u.a. die des Musikers/ Komponisten, des Pro-grammierers sowie die Instanz des Programms gehören. Vilém Flusser spricht bei einem vergleichbaren Beispiel auch von der Auflösung der Instanz des „individuel-len Autor[s]“ zugunsten „einer dialogischen, intersubjektiven Schöpfung“.2 Auf diese dem elektronischen und mehr noch dem Computer-Zeitalter immanenten Wirkungstendenzen hat sich die Musik und der Musikbetrieb einzurichten, worauf Robert Beyer 1976 aufmerksam machte: „An die Stelle des einsam planenden, iso-liert schaffenden Künstlers wird im elektronisch-kybernetischen Zeitalter ein Team spezialisierter Konstrukteure, Techniker und Regisseure treten.“3 Musikalische Er-zeugnisse sind Erzeugnisse zahlreicher menschlicher wie mechanisierter Gedan-kenflüsse, welche sich gegenseitig bedingen und in einer namenlosen, transzenden-ten Viel-Komponistenpersönlichkeit kulminieren. Fred K. Prieberg spricht, auf die angeführte These und weitere Thesen Robert Beyers Bezug nehmend, von einem „utopischen Radikalismus“4, nicht erkennend, daß - bezogen auf den hier ange-führten Sachverhalt - in dem zur Utopie Erhobenen schlicht die auch schon zum Zeitpunkt seines Schreibens im Jahr 1980 alltägliche Musikrealität beschrieben ist. Eine intersubjektive Schöpfung ist das rechnergestützte Musikstück, bei dem eben Musikanwender, Programmierer und Programm jeweils anteilig an der Kom- 1 Nake, Frieder: Schnittstelle Mensch - Maschine, a.a.O., S. 116/117 Frieder Nake sieht die dialogische Verschaltung nur zwischen Programmierern und Nutzern gegeben und nimmt das Programm selbst explizit aus dem Kommunikations-verhältnis heraus. Computer und Programme sind für ihn lediglich Mittel für eine Kommunikation, nicht aber mitkommunizierende Dialogpartner, was, so absolut for-muliert, wie gezeigt wurde, nicht stimmt. 2 Flusser, Vilém: Ästhetische Erziehung. In: Zacharias, Wolfgang (Hg.): Schöne Aus-sichten. Essen 1991, S. 127 3 Beyer, Robert, zitiert nach Prieberg, Fred K.: EM. Versuch einer Bilanz der elektroni-schen Musik. Rohrdorf 1980, S. 273 4 Ebd., S. 273