BILD(SCHIRM)MUSIK 123 aufgrund ihrer Bedienungsstruktur „es mehr und mehr ermöglichen, ohne wissen-schaftliche oder algebraische Vorbildung mit den Medien zu arbeiten.“1 Auch Hans Ulrich Humpert stellt, wenn er das musikmalende Programm UPIC vorstellt, diesen Aspekt der nichtwissenschaftlichen Vorbildung in den Vordergrund: „Die Bedeutung eines solchen Systems besteht vor allem darin [...], daß dem Komponis-ten zwar eine Apparatur hohen technischen Standards zur Verfügung steht, die je-doch ohne jahrelange Informatik-Studien zu bedienen ist. Er kann sich ganz auf die angewandte akustische Forschung im Sinne der Gestaltung musikalischer Abläufe konzentrieren, ohne der Gefahr vordergründiger Technologisierung anheimzufal-len“. 2 Um so leichter wird ein solches Bildschirmentwerfen von Musik da werden, wo andere Eingabeverfahren Berücksichtigung finden, welche dem intuitiven Ar-beiten entgegenkommen, so wenn Computermaus und Tastatureingabe ersetzt werden durch das unmittelbare Zeichnen auf dem Bildschirm oder ähnliches. Durch solche neuartigen Formen der Schnittstellenkommunikation „gewinnt die musikalische Arbeit am Bildschirm vielleicht etwas von der Ganzheitlichkeit zu-rück, die ihr die bisherige unsinnlich atomistische Tasten- und Mauseingabe ge-nommen hat.“3 Wenngleich eine der Sinnlichkeit entgegenkommende Schnittstellenkommuni-kation eine kreativitätsfördernde Wirkung implizieren dürfte, muß der vorbehaltlo-sen Annahme, dieses allein würde - ohne das grundsätzliche Wissen um program-matische Vorgaben - musikalisch interessante, experimentelle Musik bedingen, widersprochen werden; und zwar aus folgendem Grund: Aus der Unkenntnis der internen Strukturen erwächst der Umstand, daß ein Großteil der computergeleiste-ten Arbeit delegiert bleibt an die im Hintergrund bleibenden Konstrukteure und dabei vor allen Dingen an Programmierer. Aufgrund dieser programmatischen Vorstrukturierung der Anwendungsmöglichkeiten durch den Programmierer relati-viert sich die Eigenleistung von Anwendern und damit auch die Möglichkeit zum universellen und experimentellen Umgang mit der Software, was Wolfgang Martin Stroh zu der Auffassung kommen läßt: „Auch die software, die experimentelles Komponieren gestatten soll - ich denke an Realtime, Kandinsky, Ludwig -, ist in der Regel stark vorgeprägt“.4 So ist es allein schon nicht einsichtig, daß das de-lineare Arbeiten fördernde Medium Software eine graphische Notation immer noch strikt linear, gemäß ihrer Pixelfixierung, von links nach rechts oder auch von rechts nach links abarbeitet und zu Klang wandelt. Abspielvorgänge von allen Seiten zu einem Zentrum hin strebend wären genauso logisch begründbar. Ein Kreisnotat, das von innen heraus exzentrisch in alle Richtungen hin musikalisch interpretiert 1 Claus, Jürgen: Die Spaltung von Natur und Technik aufbrechen. In: Rötzer, Flori-an/ Rogenhofer, Sara (Hg.): Kunst Machen? München 1991, S. 110 2 Humpert, Hans Ulrich: Elektronische Musik, a.a.O., S. 53 3 Jerrentrup, Ansgar: Künstlerische Chancen, aktuelle und mögliche Auswirkungen der neuen Musiktechnologie. In: Enders, Bernd (Hg.) unter Mitarbeit von Stefan Hanhei-de: Neue Musiktechnologie, a.a.O., S. 28f. 4 Stroh, Wolfgang Martin: Midi- Experimente und algorithmisches Komponieren. Ber-lin 1990, S. 7