INTERPRETATION UND DETERMINATION 127 Programm zum Hintergrund, und das meint, es werden die vermeintlichen Bezie-hungen zwischen Bild und Ton geprüft, die sich gegenseitig zu entsprechen schei-nen, aber nicht die Bild/Programm- noch die Ton/Programm - Beziehung. Indem Sachverhalte (Bild/Ton(Note)-Beziehungen) scheinbar schlüssig aufei-nander bezogen werden und die jeweilige Beziehung bei jeder erneuten Transco-dierung ihre Bestätigung erfährt, was meint, daß bei einer jeden erneuten Umwand-lung desselben Bildes zu Musik auch dieselbe Musik ertönt, wird das graphische Notat als Evidenz wahrgenommen. Denn ein jedes graphische Zeichen entspricht nunmehr einer distinkten Toninformation, ist damit selbst also distinktes Denotat und damit seines weitgehenden Interpretationsspielraumes - seiner Mehrdeutigkeit - verlustig geworden. Was also bei jenen Bildpunkt-Transformationen zu Musik statthat, ist eine Objektivation, wie sie vordem nicht existent war. Auch bei einer traditionellen durch ein graphisches Notat angeregten Klangfor-mung ist zwischen die Pole Bild und Ton die Instanz des Interpreten geschaltet, die - das Wort sagt es schon - zu interpretieren bestimmt ist. Der Charakter einer Inter-pretation aber ist es, immer auch anders ausfallen zu können. Ein graphisches No-tat bietet also einen Spielraum, und die Form dieser Fixierung ist wie folgt zu be-stimmen: „Von einer Schrift kann streng genommen nicht die Rede sein; die Gra-fik zeichnet nicht musikalische Gedanken auf, sondern bildet eine Herausforderung zu musikalischen Assoziationen: Der ‘Komponist’ des tönenden Gebildes wäre, [...], der Interpret, nicht der Grafiker“1 Diente bislang die graphische Organisation von musikalischen Sachverhalten also dazu, einen ungefähren Eindruck von der Gestaltung und vom Ablauf des Vorgestellten zu geben, so ist der Charakter der-selben nun neu bestimmt. Ein jeder einzelne Punkt auf dem Bildschirm stellt eine spezifische, genau determinierte Information dar, die keiner Interpretation mehr bedarf. „Ein Pixel einer Grafik repräsentiert die kleinste rhythmische Einheit. Sei-ne Position auf der vertikalen Achse entscheidet über seine Tonhöhe, und seine Position auf der horizontalen Achse entspricht seinem relativen Platz in der rhyth-mischen Struktur.“2 1 Dahlhaus, Carl: Neue Formen der Vermittlung von Musik. In: Ders.: Schönberg und andere, a.a.O., S. 385 2 Kocka, Claus-Jürgen: Computer - Ein neues Arbeitsmittel für Musiklehrer? Augsburg 1992, S. 76