INTERPRETATION UND DETERMINATION 133 struktion von unmöglichen Körpern, kann schon heute aus seinem Flächenuniver-sum herausgelöst und in reale Sachverhalte - zu Holographien - gewandelt wer-den. 1 Hologramme dieser Art könnten schließlich - genauso wie die Oberflächen-universen eines tönenden Grafikprogrammes - zu Klang gewandelt werden. Das heißt, daß mit tönenden computergenerierten Objekten dem Anwender oder Zuhö-rer/ Zuschauer bestimmte Klangspektren offeriert werden könnten, welche dieser als die dem Objekt gegebenen akzeptiert, die in Wirklichkeit aber vom Program-ming abhängig sind und somit konstruierte darstellen. Wie Körper fortan tönen, ist nicht mehr ausschließlich abhängig von Körperbeschaffenheiten - von ihren phy-sikalischen Bedingtheiten -, sondern von Computeralgorithmen, welche physika-lisch mögliche aber auch physikalisch undenkbare Klangeigenschaften von Kör-pern zu generieren vermögen. Da wo, wie es im Falle von Hologrammen inzwi-schen zum Teil schon gegeben ist, zwischen der Wirklichkeit aus dem Computer - dem Gemachten - und der des Gegebenen kaum noch unterschieden werden kann, wird es auch zunehmend schwieriger werden, die Objekten wirklich gegebenen von zuprogrammierten, vielleicht arbiträren Klangeigenschaften zu unterscheiden und noch zu bestimmen, inwiefern jene tönende Umwelt realistisch ist. Es hieße also, ein Umgang mit den neuen Kulturtechniken einzuüben, das den Dingen der Welt mit einem programmatischen Denkverständnis entgegentreten läßt. Programmatisches Denkverständnis will sich in diesem Zusammenhang als ein Denken verstanden wissen, das die Relativität der Erscheinungen annimmt. Um dieses zu erlangen, müßte der Umgang mit Algorithmen eingeübt werden. Wo Ho-lographien und daraus prozessierte Klänge der Wirklichkeit angemessene Ergeb-nisse liefern, würde mit Hilfe dieses neuen Denkverständnisses deren nicht-determinierte Existenz erkannt sein. Dieses neue Bedenken der Sachverhalte würde zuletzt neue Gestaltungsräume eröffnen, wo jenen beschriebenen Festschreibungs-und Determinationstendenzen vorgebeugt ist. Bild/Ton-Beziehungsgeflechte, wie sie ein KANDINSKY MUSIC PAINTER-Programm erzeugt, sind dann als Subjektan-schauungen eines Programmierers eindeutig erfahrbar, Grafikpartituren gewännen ihren Interpretationsspielraum zurück oder verlören diesen gar nicht erst, und Mu-sikereignisse ließen eigene Bildwelten entstehen, ohne daß Anwender auf eine vorgegebene programmiert würden. 1 Es sei an dieser Stelle daran erinnert, daß Holografien tatsächlich Realitäten und keine Trugbilder darstellen. Was Hologrammen einzig fehlt, ist die natürlichen Objekten ge-gebene Punktdichte. „Im Hologramm wird nichts vorgetäuscht, kein Betrug des Auges vorgenommen. So sind z. B. die Raumtiefen im Hologramm real existent, und derjeni-ge, der das Hologramm mit einer Camera-Obscura-Technik aufnehmen will (Foto, Vi-deo), kann feststellen, daß die Spitzen der Objekte, die aus dem Hologramm herausra-gen, anders zu focussieren sind als die Details im Hintergrund“ (Orazem, Vito: Holo-grafie und Gesellschaft - Über vier Aspekte der bildnerischen Holografie. In: Rötzer, Florian (Hg.): Digitaler Schein. Ffm 1991, S. 303).