BILDSCHIRM 138 UND MUSIK ler die absolute Kontrolle über jeden zu erzeugenden Ton und über dessen Aus-druck gewährte. [...]. So ist jeder Klang einer mannigfaltigen Charakterisierung fä-hig, sein Ausdruck auf das empfindlichste dynamisch zu regeln, die Stärke von fast unhörbarem Pianissimo bis zur unerträglichen Lautmacht zu produzieren.“1 An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, inwiefern das beschriebene Instrument tatsächlich den Anforderungen und Erwartungen gerecht wurde. Vielmehr darf vermutet werden, daß die Klangergebnisse eher dürftig ausgefallen sein dürften.2 Interessant an dieser Beschreibung ist vielmehr, daß erst elektrische Klangerzeu-gung eine vollkommen andere Vorgehensweise als bei der traditionellen Klanger-zeugung möglich macht. Über entsprechende Parameterkontrollen kann der Klang im voraus bestimmt, gespielt und bewertet werden, um im folgenden weiter quali-fiziert zu werden. Zudem kann Klang während des Spielens drastisch in seiner Klangfarbe verändert werden. Elektrische Klanggenerierung in der beschriebenen Weise bedeutet gleichwohl immer noch nicht Klangkontrolle in Vollendung, da sie letztendlich auf dem Prin-zip eines analogen Signalprocessings beruht. Das Analoge ist auch als elektrisches Signalprocessing als Kontinuum existent und damit nicht in absoluten Werten aus-drückbar, was für eine absolute Klangkontrolle unbedingte Voraussetzung ist. Erst die Zerlegung des Kontinuums in Einzelschritte macht dieses in Zahlenereignissen aufschreibbar, und das heißt: Erst die digitale Tonerzeugung im Computer bedingt also die vollkommene Klangkontrolle, da ein jeder Zustand im Computer auf dis-kreten Zahlenereignissen beruht. Ein jeder Parameter ist vollkommen bestimmbar, da in distinkten Zahlenereignissen aufschreibbar, der Effekt von Parameterregist-rierungen ist dabei an jedem Punkt der Generierung überprüfbar, bleibt dabei je-derzeit reversibel. Erst jetzt ist der Klang der vollkommenen Kontrolle überstellt und deshalb auch vollkommen begreifbar. Vergleicht man nun die Klangentstehung am konkreten Beispiel, so werden die Unterschiede zwischen analoger und digitaler Klanggestaltung evident. Software-programme wie TURBOSYNTH von Digidesign oder auch AVALON von Steinberg erlauben Klanggenerierung auf reiner Softwarebasis und sind deshalb auch unab-hängig von irgendwelchen Hardwareeinschränkungen. Nicht einmal das Synthese-prinzip ist bei diesen Programmen vorgegeben, sondern kann selbst entwickelt und den eigenen Vorstellungen entsprechend gestaltet werden. Beispielsweise ließe sich zur Entwicklung eines Violinensamples ein eigens für diesen Zweck erdachtes Syntheseverfahren entwerfen. Die vielfältigen Bearbeitungsmöglichkeiten lassen von der ersten Vorstellung bis zum fertiggestellten virtuellen Klang optimale Ein-griffe in den Klangverlauf zu, so daß komplexe Frequenzspektren zu entwerfen sind. Das virtuelle Klangereignis kann über einen angeschlossenen D/A- Wandler 1 Ebd., S. 50/51 2 Der Lautsprecher war zu jener Zeit noch nicht allgemein bekannt und der Verstärker noch nicht erfunden, so daß der Klang über das Telephonnetz geleitet und nur über die Telephonmembran empfangen werden konnte. In den Beschreibungen dürfte sich also lediglich die übertriebene Hoffnung nach Klangneuerungen und ihrer Kontrolle aus-drücken.