BILDSCHIRM 150 UND MUSIK nisch erzeugter, natürlicher Ton zu genügen hat. Es ist also nicht nur der synthe-tisch erzeugte Ton orientiert am mechanischen Klangentwurf, sondern umgekehrt, der mechanische Klang ist gleichermaßen orientiert wie optimiert am synthetisch entworfenen Klanggut. Kybernetische Schleifen offenbaren also auch, daß mecha-nische Klangerzeugung nicht als natürlich und synthetische nicht als künstlich de-klariert werden können. Mit der Anreicherung von auf synthetischem Wege ent-worfener Klänge, die, so ungewöhnlich wie diese auch sein mögen, auf Dauer vom Rezipienten für natürlich genommen sind, wird erkannt, daß das als natürlich An-genommene schlicht auf einem Gewöhnungseffekt beruht. Natürlichkeit ist also kein Qualitätskriterium, das bestimmten Instrumenten gegeben ist, sondern beruht auf einem vertraut Werden mit dem Unbekannten. Synthetische Klangerzeugung ist zur Zeit in weiten Kreisen als künstliche dekla-riert, die mechanischer Instrumente als natürliche akzeptiert, wobei auch die Art der Klangerzeugung als Gradmesser für künstlich/natürlich herangezogen wird, da Menschenwille in Fall mechanischer/handwerklicher Klangerzeugung direkt Ein-fluß nimmt, im anderen Fall aber diese automatisch verfährt. Gegen diese Argu-mentation wendet Ernst Krenek ein: „Bei der Orgel bläst ja auch nicht der Spieler seinen vermutlich emotionsgeladenen Atem in die Pfeife, sondern er drückt auf ei-ne Taste, die ein Ventil betätigt, durch das ein rein mechanischer aufgespeicherter Luftstrom in die Pfeife eingelassen wird.“1 Auch hier ist die Klangerzeugung au-tomatisiert und der Klang nicht direkt, sondern nur indirekt über weitere Spielhil-fen zu beeinflussen. Und das Beispiel der Klangerzeugung beim Klavier macht gleichermaßen den Prozeß vom Künstlichen zum Natürlichen als schlichten Rück-kopplungseffekt zwischen Mensch und Instrument erfahrbar und das Willkürliche einer solchen Grenzziehung deutlich. „Mit der Klaviatur gewinnt der Mensch Herrschaft über die Töne. Er muß sich nicht mehr um sie bemühen, sondern sie liegen präpariert unter seiner Hand. [...] Wenn man bedenkt, mit wieviel Mühe ein Sänger seine Stimme als Instrument erst aufbauen und jeden Ton mit Hilfe intensi-ver Vorstellungskraft und geschickter Atemtechnik gestalten, mit wie genauer Hörkontrolle und Körperbeherrschung auch der Streicher die Tonhöhe exakt ab-greifen und der Bläser sie genau intonieren muß, dann erscheint das Klavierspiel vergleichsweise als ein ‘Kinderspiel’: Man legt den Finger auf die Taste, und schon erhält man den gewünschten Ton. Dies ist das Ergebnis rationalen Denkens: Man zerlegt die unendliche Welt der Töne in eine begrenzte Anzahl von Einzeltö-nen, die man dann die wie die chemischen Elemente wieder zusammenfügt. Die Kehrseite dieses Verfahrens ist nur, daß der rational erzeugte Ton kein unmittelbar und individuell gestalteter origineller Ton mehr ist, wie der eines Blas- oder Streichinstruments, sondern einen mehr abstrakt synthetischen Charakter aufweist. Er ist von dem Klang und der Artikulationsmöglichkeit der menschlichen Stimme weit entfernt, und es erfordert ein großes pianistisches Können, eine Tonfolge auf dem Klavier trotzdem ‘imaginär’ zu einer singenden Kantilene zu formen, obwohl dies, physikalisch-akustisch gesehen, unmöglich ist.“2 Differenzierte Anschlags- 1 Krenek, Ernst: Zur Sprache gebracht. Essays über die Musik. München 1958, S. 361 2 Rauhe, Hermann/Flender, Reinhard: Schlüssel zur Musik, a.a.O., S. 31f.