153 PROJEKTIONSWIRKLICHKEITEN tieren nicht zwei unterschiedliche Wirklichkeitsebenen gleichberechtigt nebenei-nander, sondern die Realität ist als Teil der Simulationswelt immanent. Bedenkt man das Gesagte noch einmal stichwortartig für das Entwerfen von synthetischen Klangwirklichkeiten, ist folgendes anzuschreiben: ⇒ Eine nicht mehr zu treffende Differenz macht einen ‘realen’ Klang einem auf einer virtuellen Ebene realisierten Klang gleich wahrscheinlich, damit aber sind beide Klangergebnisse auf ihre ursprüngliche Ereignishaftigkeit befragt ‘gleich - gültig’, was es schließlich unsinnig macht, beiden Klangformen noch unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen zuordnen zu wollen. ⇒ Computerklänge gründen auf Algorithmen, die der analogen Welt entnommen sind. Kybernetisch gewendet, bedingt der synthetisch entworfene Klang das analoge Klanguniversum. Ursache/Wirkung sind damit aufgehoben, und das heißt, ein jeder Referenzbezug gründet auf einem Irrtum. Referentialität wird zur reinen Fiktion. ⇒ Dieses gegenseitige Bedingungsgeflecht veranschaulicht, daß das Reale im-mer als von Menschenhand gestaltete sich darbietet. Das Reale ist folglich ei-ne Kombination aus künstlichem Menschenentwurf mit dem natürlich Vorge-fundenen. Da Menschwerdung mit dem Verändern des Vorgefundenen - der Natur - gleichzusetzen ist, ist das Natürliche - das Reale - durch die Anreiche-rung mit dem Künstlichen als das Hyperreale erkannt, das für den Menschen die Natur ist. Es ist also eine zunehmende für natürlich angenommene Hyper-realisierung der realen Welt gegeben. Das Simulierte kann durch unaufhörli-che Optimierung dem für natürlich Genommenen zum Vorbild geraten1, in- 1 Zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes sei Frieder Nake angeführt, der am Bei-spiel der Generierung einer „Wellenbrandung“ eine Verkehrung der Realitäts-konstituenten beschreibt: „Das Überschlagen eines Wellenkammes am Strand so rea-listisch zu synthetisieren, daß der Betrachter die synthetisierte Künstlichkeit nicht merkt, für bare Münze, sprich Natur, also nimmt, was es vielleicht schon nicht mehr gibt, diese Art der Simulation der Wirklichkeit nimmt, weil spannend, die intelligen-testen Köpfe gefangen. Spricht denn nicht auch einiges dafür, das Meer vom Terminal aus zu ‘erleben’, da das wirkliche Element längst nicht mehr mit sich selbst identisch ist? Haben doch andere Sparten der Wissenschaft, gleicher Logik folgend, längst dazu beigetragen, daß es sich bei jenem Element nicht mehr um ein solches handelt, son-dern um eine giftige, abstoßende, tote Brühe, die zu berühren gefährlich ist. Wie wohl-tuend hebt sich davon die simulierte Welle auf dem PC im Wohnzimmer ab!“ (Nake, Frieder: Künstliche Kunst. In: Ästhetik des Immateriellen. Teil 2. Kunstforum Interna-tional. Januar/ Februar 1989. Bd. 98, S. 87/88). Die Abwendung von der realen Welt hat hier ihren Grund, daß mit dem Computer nicht der Versuch unternommen ist, Na-tur abzubilden, sondern das Computerrealisierte entspricht einer vorgestellten Natur, die dann dem Menschenwunsch nach Natur entgegenkommt, indem sie natürlich wirkt. So schreibt auch Florian Rötzer: „Die Reisen im Datennetz werden angesichts der fortschreitenden Ruinierung der Erde immer attraktiver.“ (Rötzer, Florian: Media-