KNÖPFE - SCHALTER - PUNKTDISPLAYS 161 die Größenordnungen der Zeitkonstanten des gesamten Systems. Es ist also vor-teilhaft, soweit als möglich das menschliche Element aus einer Kette von Rech-nungen zu entfernen und es nur einzusetzen, wo es absolut unvermeidbar ist, näm-lich ganz am Anfang und ganz am Schluß. [...]. Die ideale Rechenmaschine muß dann alle ihre Daten am Anfang eingegeben haben und muß bis ganz zum Schluß von menschlicher Einwirkung so frei wie möglich sein.“1 Norbert Wiener hat schon in den 40er Jahren darauf aufmerksam gemacht, daß der Mensch als steu-ernde Größe innerhalb des Processings einer Rechenmaschine eher als Störmoment funktioniert, als daß er noch irgendeine nützliche Funktion einnimmt. Nur in dem Fall der Ausgrenzung des Menschen aus dem Processing lassen sich die Ge-schwindigkeitspotentialitäten von Computertechnologie auch effektiv nutzen. Wo der Mensch als steuernde Größe in den Signalverlauf integriert ist und für ein wei-teres Processing unverzichtbar bleibt, verliert sich das Instantane, und Geschwin-digkeit ist orientiert am Menschenmaß. Instantaneität begründet also das Ersetzen von Menschenfähigkeiten, macht aber andererseits viele Funktionen und die Viel-falt der Funktionen erst möglich, die ohne Echtzeitfluß undenkbar wären. Wenn Oberflächen von Klangerzeugern also immer aufgeräumter und leerer werden, so nicht nur, weil Funktionen vorgebende Oberflächenmaterialitäten ins Innere des Gerätes und auf die Oberfläche von Bildschirmen verlagert werden, sondern auch, weil Automatisierung diese schlicht überflüssig machen. Damit spiegelt moderne Musiktechnologie mit ihren aufgeräumten Oberflächen eine ge-samtgesellschaftliche Tendenz wider: „Alles wird strukturell komplexer, um funk-tionell einfacher zu werden.“2 Weder bei analogen noch bei digitalen Instrumenten ist die Klangerzeugung noch gebunden an eine direkte, sinnlich-konkrete, an eine körperliche Auseinan-dersetzung mit dem Instrument, wie es bei traditionellen Instrumenten zwingend notwendig ist. Erst das Wissen um eine bestimmte Grifftechnik läßt einen Gitar-renklang Klanggestalt annehmen, die Bogenhaltung eines Geigers entscheidet im wesentlichen Maße über das Klangergebnis, ein überzeugender Flötenklang dürfte ohne vorherige Kenntnis des Lippenansatzes kaum Schwingungsrealität werden. Bei all diesen Beispielen darf - wie überhaupt für jedwede traditionelle Klanger-zeugung - als Grundvoraussetzung postuliert werden, daß ohne ein gewissenhaftes Üben überzeugende Klangwirklichkeiten wohl schwerlich zu verwirklichen sind. Klangerzeugung bei analogen wie digitalen Synthesizern dagegen bedeutet elektrische Signalverarbeitung. Ein Druck auf eine Taste am Keyboard und der Klang ertönt - gemäß seiner Parameterregistrierung - in Vollendung, ohne daß es spieltechnischer Kompetenz bedarf. Die Wiederholung dieses Vorganges bedingt immer wieder das gleiche klangvollendete Musiksignal. Klangbeeinflussung und - veränderung bei einem, im Verborgenen bleibenden, internen Signalprocessing ist im allgemeinen gebunden an die auf der Synthesizeroberfläche verbleibenden Zu-griffsmöglichkeiten. Der Zugriff auf die syntheserelevanten Parameter wird dabei über Bedienungselemente wie Knöpfe, Schalter, Schieberegler u.ä. geregelt. Wäh- 1 Wiener, Norbert: Kybernetik, a.a.O., S. 173/174 2 Flusser, Vilém: Die Schrift, a.a.O., S. 20 (Göttingen)