MUSIKMASCHINEN 164 UND KLANGFINDUNG Funktion andere Bedeutung zukommen kann. Mit Hilfe einer solchen Tastatur und einigen wenigen weiteren multifunktional verwendbaren Funktionstastern ist das gesamte interne Signalprocessing kontrollierbar. Ein Schieberegler, der eben noch dazu diente, eine bestimmte Frequenz zu beschneiden, kann im folgenden schon dabei helfen, die Lautstärke zu kontrollieren usf. Ergänzt und vervollständigt werden diese Bedienungselemente noch durch das Display. Dem Display allerdings kommt in diesem Environment besondere Bedeu-tung zu, ist es doch die einzige Schnittstelle, die noch Aufklärung über das Tun an Parameterkontrollen gibt. Es bietet einen Einblick in das Innere, wobei das Innere immer nur als Ausschnitt präsent ist. Wolfgang Preischkat schreibt denn auch über das Display: „Aus der Phantomwelt der Mikroprozessoren, Datenträger und Infor-mationsströme hebt sich das display ab: [...]. Die Welt der Elektronik ist eine Welt der Meßinstrumente, ein kybernetisches Universum der Daten. Das display zeigt immer nur Ausschnitte dieses Universums, in denen die Differenz zwischen ‘Ist’ und ‘Soll’ abzulesen ist.“1 Anschaulich bleibt zuletzt aber immer nur das sich im Ausschnitt Darbietende und alles, was nicht von der Leuchtkraft des Displays er-faßt wird, bleibt im Dunkeln und der Anschaulichkeit entzogen. Das Unspezifische von Oberflächenmaterialitäten auf der einen Seite läßt auf der anderen Seite auf dichteste, absolut programmatisch bestimmte Verknüpfungen im Innern schließen. Daher spiegelt im Grunde genommen die Leere der Hard-wareoberfläche signifikant die Fülle der hinter der Oberfläche verborgenen Soft-warefunktionen, und in der Unspezifik von verbleibenden Bedienungselementen liegt die notwendige Voraussetzung für die Bedienbarkeit von modernen Klang-synthesemaschinen. Erst im Moment des jeweiligen Displayaufbaus erhalten diese ihre spezielle Ausrichtung. Ist die Funktion angezeigt nur noch im Display, so ver-lagert sich das Interesse von der materiellen Ebene auf die immaterielle. Ganz ähn-lich wie Dietmar Kamper, der ja von der Abstraktion vom Körper spricht, hat dies Jean Baudrillard zum Ausdruck gebracht. So sind „bislang [...] alle Veränderungen der Umwelt einer irreversiblen Tendenz zur formalen Abstraktion von Elementen und Funktionen entsprungen, einer Tendenz, diese zu einem einzigen Vorgang zu homogenisieren, einer Tendenz, Gesten, Körper und Tätigkeiten in elektrische oder elektronische Befehle zu übertragen, einer Tendenz zur zeitlichen und räumlichen Miniaturisierung der Vorgänge, deren Schauplatz - freilich ist es kein Schauplatz mehr - zunehmend das unbegrenzte Gedächtnis und der Bildschirm ist.“2 Einzig in der Immaterialität, die mit dem Bildschirm oder dem Display ihre konkrete Verge-genständlichung erfährt, ist Abstraktion vom Körper fortzuschreiben und „kommt erst auf dem Feld der Neuen Medien zur vollen Entfaltung.“3 Und mit dem Eintritt in ein Universum der Immaterialität ist notwendigerweise verbunden die Aufgabe des Körpers, denn es ist ein Universum, in dem die Lichtgeschwindigkeit regiert. 1 Preischkat, Wolfgang: Video. Die Poesie der neuen Medien. Weinheim/Basel 1987, S. 163 2 Baudrillard, Jean: Das andere Selbst. Wien 1987, S. 15 3 Kamper, Dietmar: Der Januskopf der Medien. Ästhetisierung der Wirklichkeit, Entrüs-tung der Sinne. In: Rötzer, Florian (Hg.): Digitaler Schein, a.a.O., S. 93