KNÖPFE - SCHALTER - PUNKTDISPLAYS 165 Mit Lichtgeschwindigkeit operieren heißt, die Verwandlung von Körpern in Ener-gie. Nur im Zustand der reinen Energie ist Instantaneität gewährleistet. Wo der in-stantane elektronische Raum zum reinen Handlungsraum wird, ist Ent- Körperlichung die Folge. Ausgegrenzt der Körper aus dem Echtzeitfluß, ist Licht-geschwindigkeit weiter möglich. Und so zeichnet sich eben auch auf dem Feld der neuen Musiktechnologien die Fortschreibung einer Tendenz zum Körperstillstand und zur Entsinnlichung ab. Musiksysteme, die eine immer größere innere programmatische Komplexität und das heißt Funktionsvielfalt aufweisen, machen einen rein immateriell gestalteten Handlungsraum notwendig, und der Blick von Klanggestaltern ist fortan starr auf die rahmenbegrenzte immaterielle Welt des Lichts gerichtet. Noch analoge, auch schon echtzeitagierende Synthesizer konnten sich konkrete Materialitäten noch leisten, um ihre Funktionalität zu wahren. Die digitale Welt des Synthesizers dage-gen ist die des „Screens“ und des Displays, was eben heißt: die Aufgabe von Mate-rialitäten zugunsten ihrer Softwaresupplemente. Wachsende Komplexität macht dies schlicht notwendig. Als Folge davon ist die „Entrüstung der Sinne“ (Dietmar Kamper) und die Ent-Körperlichung zu verzeichnen. Die Gestaltung der gerätespezifischen Software, die Abstraktionen mit Hilfe übersichtlicher, anschaulicher Bedienungskonzepte zu überwinden sucht, bleibt letztendlich immer Begrenzungen unterworfen: Begrenzungen der maximalen Dis-playgröße, der Eingabemöglichkeiten, der internen Speichergröße usf. Der Bereich einer rein kognitiven Arbeit bei modernen Musiksystemen erfährt also nicht zuletzt auch deshalb eine Überbetonung, weil die parameterabbildenden Displays von Synthesizern infolge ihrer relativen Begrenztheit - im Vergleich zum Moni-torbildschirm des Computers - nicht einmal den Signalverlauf des Syntheseprin-zips in seiner Gesamtheit optisch zu veranschaulichen vermögen. Um diesen Mangel an Anschaulichkeit zu minimieren und um wieder einen mehr intuitiven Umgang mit dem Klangerzeuger und Zugang zu dessen Synthese-prinzip zu ermöglichen, treten neben geräteinterne, softwareorientierte Zugriffs-möglichkeiten weitere externe Softwarekomponenten, die manche dieser z.T. hardwarebedingten Begrenzungen aufzuheben suchen. Diesen optionalen Soft-warekomponenten kommt mehr und mehr Bedeutung zu: Es sind dies aus dem ei-gentlichen Synthesizer ausgelagerte Soundeditoren. Die konkreten Bedienungselemente analoger Systeme boten noch ein „über-schaubares, ‘ganzheitliches’ Bedienungsfeld.“1 Softwaresoundeditoren sollen hel-fen, den Grad des Abstrakten zu mindern, indem sie auf der Ebene des Immateriel-len ein Bedienungsumwelt simulieren, die der analoger Synthesizer entspricht. Ein jeder Parameter besitzt wieder einen, wenn auch simulierten Knopf/ Schieberegler oder Taster, Hüllkurven werden anschaulich auf dem Bildschirm abgebildet und der Anordnung der einzelnen Klangparameter läßt sich auch wieder so etwas wie ein Signalfluß entnehmen, so daß ein Anwender wieder imstande ist, zu erkennen, welchen Einfluß eine Parameteränderung auf andere Parameter nimmt. Wenngleich solche Editoren die Klangbearbeitung erleichtern, so bieten sie 1 Perincioli, Christina/Rentmeister, Cillie: Computer und Kreativität. Köln 1990, S. 204