MUSIKMASCHINEN 170 UND KLANGFINDUNG traute „Umwelt“, ist sie doch nur als Supplement dessen gedacht, was den Anwen-der an Syntheseoptionen in konkreter Gestalt umgibt. Gleichwohl will diese Ersatz-“Umwelt“ erst einmal geschaffen und vom An-wender zusammengestellt sein. Es wird also ermöglicht, eine der materiellen Um-welt entsprechende Simulationswelt zu entwerfen, so daß der Blick nur noch einzig der immateriellen Welt zugewendet ist, ohne noch der konkreten Materialitäten bewußt sein zu müssen. Und was als Surrogat-“Umwelt“ gedacht ist, kann schnell zur eigentlichen „Umwelt“ geraten, kann die virtuelle Welt doch mit weitreichen-den Funktionen ausgestattet werden, die der Materialitätenwelt nicht gegeben sind. Kurz: Nicht nur Materialitäten werden virtuell abgebildet und von dort aus be-dienbar, sondern alles, was an musikalischen Ereignissen geschieht, ist auf der vir-tuellen Ebene verfügbar: Virtuelle Notenereignisse, Sys-Ex-Programmierung und Sound-Editing etc., und ein Blick ins Environment zeigt die Welt an, in der alles verfügt wird: in der Welt der Simulation, der Welt des Körperlosen. Das „En-vironment“ ist ein „Fenster zur Außenwelt“, wie Pit Löw schreibt, ausgestattet mit so viel Komfort, daß es „sich mehr und mehr zur Studiozentrale“1 entwickelt. Der in der Außenwelt Agierende nimmt auf seine ihn umgebende materielle Außenwelt nunmehr vermehrt Zugriff einzig über den Weg der immateriellen Softwareebene. Er tritt ein in die Welt des Körperlosen, um von dort die Körperwelt zu bedienen. Während NOTATOR LOGIC noch der externen Materialitätenwelt von Klanger-zeugern und anderer Peripheriehardware bedarf, ist mit dieser Software schon der Weg in eine körperlose Zukunft angezeigt, was meint, daß Software alsbald eben nicht nur einfach als Materialitätensurrogat eine externe Hardwarewelt spiegelt, sondern selbstreferentiell nur noch auf sich selbst verweist. Es gilt eine Welt zu entwerfen, die keiner externen Körperwelt mehr bedarf, sondern nur noch aus einer einzigen Hardwarekomponente und der daraus heraus entworfenen Welt des Im-materiellen besteht. In diese Richtung deutet denn auch das von der Firma Digide-sign entwickelte und mit dem abenteuerlichen Namen versehene „Trans-System Digital Matrix Bus“-Programm, welches zur digitalen Aufzeichnung und Weiter-verarbeitung von Signalen gedacht ist und nicht mehr als externe Samplereinheit offeriert wird, sondern gleich als Steckkarte in den heimischen Computer integriert werden kann. „Warum [...] die aufgezeichneten Signale zur Bearbeitung noch in externe Geräte verfrachten, die im Idealfall ohnehin durch den Computer bedient werden?“2 fragt so auch zurecht ein Tester dieser Software, und andere Entwick-lungen zeigen an, wie berechtigt solche Fragestellungen sind. So sehen sich auch Sequencerprogramme erweitert um Optionen, für die es früher externer Einheiten bedurfte. Und ein Sequencerprogramm wie der NOTATOR LOGIC mit seinem virtu-ellen Environment schreibt sich mit dem Zusatz „AUDIO“ und beweist seine Samp-lingwiedergabequalitäten, ohne noch eines externen Samplers zu bedürfen, wie auch das CUBASE-Programm mit seinem „WAVE PLAYER“ dem Konkurrenzprodukt darin nicht nachzustehen gewillt ist. Diese Entwicklung erfährt dort ihre Fortset- 1 Pit Löw in einem Test über den NOTATOR LOGIC, bezogen auf das „Environment“- Fenster. In: Keys 06/94, S. 37 2 von Keller, Robert: Digitale Audio-Autobahn. In: Keys 4/94, S. 76