SOFTWARE(IM)MATERIALIEN 171 zung, wo in den Computer integrierte Steckkarten in zunehmendem Maße eigen-ständige, voll editierbare Hardwareeinheiten ersetzen. „DSP-Karten (DSP = Digital Sound Processing = Digitale Lautverarbeitung) lassen sich, einmal im Computer installiert, nicht mehr mit Händen berühren. In diesem Falle bleibt keine Alternati-ve mehr zum virtuellen Schalt-Paneel.“1 Der Zugriff wird nur noch über eine ein-zige, zentrale Steuereinheit geleistet, und nur noch die virtuelle Bildschirmwelt zeigt die Existenz der unter der Computeroberfläche verschwundenen Hardware-option „Steckkarte“ an. Die „Musik-Workstations“ der 80er Jahren wiesen schon in die Richtung der Zusammenfassung vielfältiger Funktionen zu einer Einheit, doch ausschließliches Produkt der jeweiligen Entwicklungsfirma, ließen sie es an Flexibilität vermissen, da Weiterentwicklungen in erster Linie der Herstellerfirma vorbehalten waren. Ei-ne „W-30“-Workstation der Firma Roland beispielsweise - eine Kombination aus Sampler-, Rhythmus- und Sequencereinheit - war auch nur von der Firma Roland zu modifizieren und weiterzuentwickeln, sofern die Konstruktionspläne nicht Fremdfirmen zugänglich waren. Wo denn eine unspezifische Zentraleinheit wie ein ATARI-, ein APPLE- oder auch ein PC-Computer vorliegt, auf deren Systemdaten jede Firma Zugriff hat, lassen sich Entwicklungen diverser Firmen, die sich auf be-stimmten Gebieten hervorgetan haben, zusammentragen und zu einer effektiv ar-beitenden Zentraleinheit zusammenfassen. Ergebnis solcher Integrationsbemühun-gen sind dann Kooperationen wie die von Emagic (Sequencer) mit Digidesign (Sampling), die ihre Produkte aufeinander abstimmen, so daß die gleichzeitige Lauffähigkeit unterschiedlicher Softwareprodukte auf dem Rechner genauso ge-währleistet ist, wie auch der Zugriff aus der Sequencersoftware heraus auf die Samplingoptionen der anderen Software. Selbst wenn also heute noch Synthesizer oder Sampler an traditionelle Musikin-strumente gemahnen oder sich als Expander zumindest noch als eigenständige Klangerzeuger darstellen, so verläuft parallel dazu eine Entwicklung, die dieselben Synthesegeneratoren einzig als Chip implementiert sehen in x-beliebige Computer. „Wir stehen womöglich am Beginn eines Trends hin zum schaltbrettfreien Equipment“2, schreibt denn auch David Trubitt ganz folgerichtig. Jedes weitere Hardwareenvironment wird, wo die Steuerzentrale Computer als alleinige Hard-wareeinheit notwendig bleibt, obsolet. Der Zugriff geschieht dann einzig nur noch über die Software. So ist die auf dem Monitor abgebildete Software-Umwelt eines NOTATOR LOGIC-Environments eines Tages nicht mehr nur Ersatz oder Ergänzung, sondern die eigentliche, weil einzige Zugriffswelt auf alle erdenklichen musikali-schen Phänomene. Und so wird die Hardware-Welt immer flüchtiger, weil unspe-zifischer. Die Software-Welt hingegen wird immer stabiler und konkreter, weil sie zum einzigen Bezugspunkt zu den computerinternen Abläufen und Ereignissen ge-rät. Daraus folgt: Nur noch Immaterialien bieten den Zugang zu Materialien, die selbst unsichtbar bleiben. Unter der immergleichen Geräteabdeckung können sich 1 Trubitt, David: Auf zu neuen Welten. In: Waffender, Manfred (Hg.): Cyberspace. Reinbek bei Hamburg 1991, S. 138 2 Ebd., S. 138