SOFTWARE(IM)MATERIALIEN 173 strebt ist, Musizieren zu allen Zeiten war angewiesen auf klangermöglichende so-wie auf jene zum Erklingen bringende Körper (also auf Instrumente sowie Instru-mentalisten). Es ist die Widerständigkeit der Materialität, welche eine Auseinan-dersetzung mit dem Entgegenstehenden evoziert und Musiker produktiv, künstle-risch damit umgehen läßt. Und damit einher geht ein unaufhörliches Prüfen des Begriffenen mit dem Vorgestellten und dem persönlichen Ergriffensein, um die Differenz zwischen dem Vorgestellten und dem Angegriffenen immer weiter zu tilgen, ohne diese je wirklich tilgen zu können. Jene beiden Körperpole bildeten die Grundvoraussetzung für jegliches Musizieren. Selbst wenn, wie beim Gesang, diese beiden Gegensätzlichkeiten in eine Körperinstanz fallen, bleiben es doch immer zwei in einem Körper zugleich angesprochene Körperwelten: der zum Schwingen zu bringende und tonerzeugende Resonanzkörper sowie der zugleich auf jene Schwingungen reagierende Körper. Der Körper fungiert dabei in seiner Gesamtheit als ein aufnehmendes Organ, das sich auf das je Ankommende ein-stellt, so daß das Hören jener vom Begriffensein entworfenen, ankommenden Schallwellen ein „Anpassen des Körpers an eine akustische Botschaft“ oder kon-kreter, eine „Anpassung an Schallwellen“ ist.1 „Beim Musikhören wird der Körper Musik, und zwar entspricht seine jeweilige Körperstellung in ihrer internen Span-nung eben jener Musik, die er im Begriffe ist zu empfangen.“2 Von der so gewon-nenen Einstellung ist das in der Folge zu Begreifende, also die dabei zum Klingen zu bringende gegenständige Körperwelt maßgeblich betroffen. Der Körper war immer gleichsam Ausdrucksorgan und Spiegel der erzeugten Musik. „Wenn Musi-ker zusammenspielen, müssen sie zunächst schon rein klanglich die gleiche Stim-mung haben. Sie pflegen sich denn auch einzustimmen, und während des Spieles versuchen sie, die Stimmung zu halten, schwingen übereinstimmend in einem be-stimmten unhörbaren Grundrhythmus, Takt oder wie immer genannt. In solchem gemeinsamen Schwingen tauschen sie sich aus, machen sie Vorschläge, imitieren, antworten, bereiten vor, reagieren also in mannigfacher Weise aufeinander - wie es eben zum guten Ton gehört.“3 Musik machen - im traditionellen Sinne - ist ein notwendig auf Körperwelten basierendes Musizieren, wiewohl ein aufeinander be-ziehendes Musizieren; ist ein Musizieren, das das aufgeführte Musikwerk sich entwickeln und entfalten sieht. Es ist ein miteinander Kommunizieren, bei dem nicht rational begründbare Wertungen das eigene Agieren mitbestimmen, das so - ständig rückgekoppelt mit den Folgen des eigenen Handelns wie auch rückgekop-pelt mit den anderen am Kommunikationsprozeß Beteiligten - einer Neuüberprü-fung und der unablässigen Korrektur unterliegt. Und quasi als Schwingungen über-tragende Membran dient der Körper: „Die Feinheit des Tons erschließt sich über die Empathie. Einfühlung aber beruht auf innerem Mitschwingen. Der empathisch Lauschende wird gleichsam zum Resonanzkörper.“4 Reinhardt Knodt nennt diesen gesamten Vorgang „Ästhetische Korrespondenz“. Auf die Frage, was denn beim 1 Flusser, Vilém: Gesten, a.a.O., S. 197 2 Ebd., S. 200 3 Schnebel, Dieter: Anschläge - Ausschläge, a.a.O., S. 44 4 Ebd., S. 43