MUSIKMASCHINEN 176 UND KLANGFINDUNG ohne Körper denken kann?“1 und ist nicht davon zu trennen. Sie ist auch deshalb nicht davon zu trennen, weil die Fähigkeit des Menschen, flexibel auf neue Situati-onen zu reagieren, nicht allein - wie Hubert L. Dreyfuß annimmt - „von der Flexi-bilität unseres Nervensystems abhängen könnte, sondern ebenso von unserer Fä-higkeit, uns praktisch zu betätigen.“2 Parallelen zu den von Flusser gemachten Aussagen einer „Vergeistigung des Körpers“ sind hierbei offensichtlich. So ver-weist Dreyfuß mit Bezug auf Husserl und Merleau Ponty darauf, daß beispielswei-se das Erkennen komplexer Strukturen keine geistige Tätigkeit ist, sondern „daß strukturelles Erkennen eine körperliche Fertigkeit ist, die allem intelligenten Ver-halten zugrundeliegt“.3 Die Auseinandersetzung mit der Welt ist danach keine auf rein formalisierbaren Fakten beruhende, sondern eine, die in der Verschränkung von Geist und Körper ihre notwendige Voraussetzung sieht. Und Verschränkung von Geist und Körper heißt dabei, daß Bedeutungszusammenhänge für die Qualifi-zierung des Wahrgenommenen in der Welt unverzichtbarer Bestandteil sind. „Er-kenntnis entspringt, wie Heinz von Foerster immer wieder unterstrichen hat, aus Tätigkeit: sie ist, wie Jean Piaget betont hat, an Verhalten und Handeln gebunden. Kurzum: Kognition ist ein aktiver Prozeß des ganzen Menschen (Körper und kog-nitives System), in dem sensorische, neuronale, motorische und emotionale Aktivi-täten und Prozesse ebenso integriert sind wie soziale und kulturelle Voraussetzun-gen, die über Sozialisation und Enkulturation sozusagen fest in das kognitive Sys-tem einprogrammiert sind.“4 Gerade das Beispiel der gescheiterten Versuche der KI-Forschung, ein menschenverwandtes intelligentes Verhalten mit Hilfe von Computern zu erzielen, zeigt, daß die Orientierung des Menschen in der Welt eben nicht allein auf rein formalisierbaren Fakten beruht, sondern daß Erkenntnis zum großen Teil auf nicht bzw. auf nicht zu ergründenden, formallogischen Prozessen beruht. Handlungsort respektive Hintergrundsbezug sind dabei für eine jedwede Qualifizierung von elementarer Bedeutung. Keine Qualifizierung ist danach situa-tionsunabhängig. Die spezifische Einbettung des Körpers in einen Raumhorizont ist dabei Orientierungspunkt und Halt in der Welt, von dem aus diese erschlossen wird. „Das Denken versteht sich einerseits als rein geistiges - aber es bleibt doch andererseits mit dem Körper verbunden. Die Dimension dieser Verbindung ist der Raum.“5 In den Körperhandlungen konkretisiert sich das Denken. Geistesarbeit ist dabei notwendigerweise angewiesen an eine raumgebundene Körperlichkeit. Der Designer Otl Aicher hat dies auch einmal mit den Worten ausgedrückt: „danach wäre es nicht mehr zulässig, geist und körper so zu trennen, daß das denken als geistige tätigkeit anzusehen wäre, die wahrnehmung als körperliche. der mensch 1 Lyotard, Jean-François: Ob man ohne Körper denken kann? In: ders.: Das Inhumane, a.a.O., S. 23 2 Dreyfus, Hubert L.: Was Computer nicht können, a.a.O., S. 184 3 Ebd., S. 199 4 Schmidt, Siegfried J.: Wissenschaft als ästhetisches Konstrukt? In: Welsch, Wolfgang (Hg.): Die Aktualität des Ästhetischen. München 1993, S. 292 5 Gumbrecht, Hans Ulrich: nachMODERNE - ZEITENräume. In: Weimann, Robert/ Gumbrecht, Hans Ulrich (Hg.): Postmoderne - globale Differenz, a.a.O., S. 55