SOFTWARE(IM)MATERIALIEN 177 denkt mit den mitteln der wahrnehmung, und er nimmt wahr mit hilfe des den-kens.“ 1 Die Diskussion um körperloses Denkens schließt die Möglichkeiten und Impli-kationen einer körperlosen Musik gleich ein. Auf der Grundlage dieser Erörterung wird dem Phänomen einer körperlosen Musik weiter sich zu nähern versucht. In der Folge wird es zunehmend darum gehen, nachzufragen, warum über das schon Beschriebene hinaus der Mensch, im Angesicht mit den neuen Technologien, sich zum Teil andere Einstellungen wie Umgangsweisen aneignet und überkommene somit der Veränderung unterworfen sind. Es sind nunmehr Neuvernetzungen geschaffen, die vermehrt zwischen Mensch und Maschine statthaben. Rückgekoppelt mit der Welt des Körperlosen, wird der Mensch/Musiker bei der Schnittstellenkommunikation mit den Computern zu-gleich seiner selbst in einem neuen Gewand angesichtig. Es werden ihm schließ-lich die körperlosen Ansichten zuteil und ihm endlich wesentlich, denn: „Der Mensch stellt sich durch seine Werkzeuge selber her und in den Dingen findet er sich.“2 Die jeweils bestimmende Technologie eines Zeitalters stiftet eine neue Sichtweise des Menschen auf sich selbst und in bezug auf seine Stellung zur Welt. So lassen sich durch alle Zeitalter der Menschheitsgeschichte hindurch Menschen-denken bestimmende Technologien aufzeigen, angefangen in der Antike bis in die Jetztzeit. Mit der Technik des Töpferns ist in der Antike jene Technologie angege-ben, welches als Erkenntnismodell fungierte. Platons Welt der ewigen Ideale war eine zu formende und zu gestaltende Welt. Weltexistenz bedeutete, eine von einem Weltschöpfer aufgeprägte Form verliehen bekommen zu haben. Im Zeitalter der Aufklärung wird von der äußeren Form auf die innere Strukturierung und die Me-chanisierung der Dinge umgestellt. Die Uhr mit ihrem komplexen inneren Räder-werk gilt dafür als ideale Metapher eines mechanistischen Zeitalters, in der auch der Mensch in seinem Sein aufgehoben ist. So wird auch der Mensch als komplex strukturierte Maschine gedacht, deren Räderwerk eben nur nicht in dem Maße ver-standen ist, wie das der Uhr. Folglich ist auch jene Zeit mit Versuchen angefüllt, Menschenfähigkeiten auf Automaten zu übertragen: eine von Spielmaschinen jeg-licher Art bevölkerte Zeit.3 Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert 1 Aicher, Otl: analog und digital, a.a.O., S. 47f. 2 Rötzer, Florian: Von Gesten, Dingen, Maschinen und Projektionen. In: Flusser, Vilém: Dinge und Undinge. München 1993, S. 144 3 Der mechanische Schachspieler des von Kempelen, der über seine Zeit hinaus noch viele Menschen faszinierte, dabei Literaten wie E.T.A. Hoffmann oder auch E.A. Poe immer wieder zur Auseinandersetzung reizte und später Johann Nepomuk Maelzel zum Nachbau inspirierte, dürfte wohl das prägnanteste Beispiel für den Automatisie-rungsversuch lebendiger Prozesse und menschlicher Fähigkeiten sein. Leider gründete ja dessen Funktionieren - wie bekannt - auf einem Betrug (vgl. dazu: Leonhardt, Hen-rike: Johann Nepomuk Mälzel. Ein lückenhafter Lebenslauf. Hamburg 1990, S. 50-66 u. S. 191-226.) Ca. 280 Titel umfaßt die wohl „genaueste Bibliographie zum mechani-schen Schachspieler“ (ebd., S. 59), und allein an der Summe der Titel ist das Interesse für Automatisierungsprozesse abzulesen. Vaucanson bietet mit seiner künstlichen Ente