MUSIKMASCHINEN 178 UND KLANGFINDUNG schließlich ist das Bild des Menschen das einer Wärmekraftmaschine, gestaltet nach dem Vorbild der allseits präsenten Dampfmaschine.1 Heute ist mit dem Com-puter der nächste Selbstentwurf angezeigt. Es ist eine Maschine, die im Prinzip selbst gar nichts macht, sondern dazu ausersehen ist, andere Prozesse zu steuern, eine kybernetische Maschine.2 Und so ist auch die Rolle des Menschen, sein Selbstentwurf neu definiert, indem er sich selbst als kybernetisch operierende Ma-schine mit INPUT-OUTPUT-Beziehungen versteht, sich eingebettet in komplexe Rückkopplungsgeflechte sieht und seine Umwelt unter dem Blickwinkel einer zu verarbeitenden Sache betrachtet. So definiert der Computer - wie J. David Bolter ein weiteres Beispiel: „Die künstliche Ente von eben diesem Meister verschlang Hanf-körner, und trank Wasser. Sie verdaute, was sie zu sich genommen, und gab es durch den Hintern von sich. Sie bewegte den Schnabel, streckte den Hals aus, schlug mit den Flügeln, und machte noch andre Bewegungen.“ So beschrieb J.S. Halle 1790 diese En-te (zitiert nach Henrike Leonhardt, S. 53). Aber auch mechanische Flötenspieler baute Vaucanson. Mechanische Musikinstrumente aller Art bis hin zum automatisierten kompletten Orchester begeisterten die Menschen des mechanistischen Zeitalters. Wolfgang von Kempelen wiederum versuchte mit seinen Experimenten den Mecha-nismus der menschlichen Stimme „durch eine außergewöhnliche Kombination von Blasebalg, Ventil, Becher, Kehle, Zunge, Flöte“ nachzuahmen (ebd., S. 39). Gerade in dem letztgenannten Beispiel sieht Alex Sutter dargestellt, wie das Zeitalter des 19. Jhrdts. rein nach Maschinenmodellen funktionalisiert ist. „Die Entwicklung der ‘Sprechmaschine’ ging nämlich mit der Entwicklung der theoretischen Grundlagen der experimentellen Phonetik einher. Die menschliche Lauterzeugung sollte auf mechani-sche Weise simuliert werden. Quasi als Hilfsmittel im Konstruktionsprozeß ‘erfand’ der Maschinenbauer eine erste empirisch-analytische Phonetik: Das scheint mir als Vor- und Sinnbild für die buchstäblich gewordene Modellfunktion der Maschine in der mechanistischen Wissenschaft des 19. Jahrhunderts dazustehen“ (Sutter, Alex: Göttli-che Maschinen. Ffm 1988, S. 269). 1 Vgl. Bolter, David J.: Der digitale Faust, a.a.O. Die Allgegenwart von genau operierenden Maschinen, welche weitgehend unbeein-flußt von äußeren Einflüssen ihre Arbeit verrichten, hat in der Musik seine Spuren hin-terlassen und zu Spielweisen geführt, welche aus jenem Rückkopplungsgeflecht von Mensch - Maschine begründbar sind: „In der zweiten Hälfte der 70er Jahre ist mono-tone maschinenartige Automatik Mode geworden. Auch das hatte seinen Ursprung in der Verehrung der Leistungsfähigkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Maschine. In der elektronischen Musik war monotone Automatik zwar schon längst bekannt; jetzt war aber die Frage: wie genau kann der Mensch - ein Musiker - eine Maschine imitie-ren? Keine Frage mehr von ‘Inegalité’, Betonungen, Phrasierung ... Wer diese ‘repeti-tive’ Musik am ‘unmenschlichsten’ spielt, spielt sie am besten“ (Tiensuu, Jukka: Technologische Entwicklungen. Ihr Einfluß auf Denken und Praxis gegenwärtiger Musik. In: Haselauer, Elisabeth/Müller, Karl-Josel (Hg.): Europäische Gegenwartsmu-sik - Einflüsse und Wandlungen. Mainz/London/N.Y./Tokio 1984, S. 38). 2 „Wir haben beschlossen, das ganze Gebiet der Regelung und Nachrichtentheorie, ob in der Maschine oder im Tier, mit dem Namen ‘Kybernetik’ zu benennen, den wir aus dem griechischen ‘vtbeqμ{ sg`’ oder ‘Steuermann’ bildeten.“ Wiener, Norbert: Ky-bernetik, a.a.O., S. 39