SOFTWARE(IM)MATERIALIEN 179 schreibt - die Rolle des Menschen neu: „er wird nun zum ‘Verarbeiter von Daten’, die Natur aber zu einem Komplex von ‘zu verarbeitenden Daten’.“1 Die Denkwelt des Computers, nach kybernetischem Muster entworfen, ist eine Welt der reinen Logik. Allein, wo immer kybernetische Strukturen vorherrschen, ist die Logik prä-sent. 2 Darin ist ausgedrückt, daß ein rein auf Logik fußendes und nicht mehr ein in Re-lationen bestimmendes Denken für die Orientierung in der Welt Verantwortung übernimmt. Die Welt ist danach nichts Ganzes, Einheitliches mehr, sondern eine in Informationsquanten zerlegte. Orientierung in der Welt heißt nunmehr gemäß dem Denken im elektronischen Raum, auf Berechnungen und Formalisierungen ange-wiesen zu sein. Wenn der Mensch zu einem „Verarbeiter von Daten“ und die Welt zu einem „Komplex von zu verarbeitenden Daten“ wird, so gründet dies in der Evidenz der Rückkopplung des Menschen mit dem Computer und der Art, wie die-ser zu arbeiten respektive zu „denken“ ausgelegt ist. Anders ausgedrückt heißt das, der Computer ist eine Maschine, mit der die Arbeitsweise des menschlichen Ge-hirns im Modell nachgestellt wird. Der Computer ahmt also „die entscheidende Fähigkeit des Menschen zum rationalen Denken nach.“3 Die Art und Weise des Computers zu „denken“ ist aber nicht vergleichbar mit der des Menschen, ja - sie hat überhaupt nichts mit der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns zu tun.4 Es ist wie gesagt lediglich ein Modell, dem eine gewisse Praktikatibilität bei dem Ver-such, Denkvorgänge zu erklären und auf künstlichem Wege nachzubilden, zu-kommt. Aus einem Modell lassen sich aufgrund von Komplexitätsreduktion und der dadurch möglich gewordenen konzentrierten Beobachtung nicht nur bestimmte Fertigkeiten oder Erkenntnisse ableiten und erklären, im Modell können solche Fertigkeiten durch die gewonnene Einsicht in bestimmte Abläufe optimiert wer-den, so daß eine modellhaft nachgebildete der zugrundegelegten Ursprungsfertig-keit zuletzt überlegen sein können. Für das Computermodell des Denkens heißt das: Computer rechnen viel besser und schneller, als dies Menschen zu tun vermö-gen. Deshalb wird überall dort, wo Kalkulationen das Geschehen bestimmen, aber auch, wo eine strikte Disziplin und eine Klarheit des Gedankens abverlangt ist, aufgrund eben jener Tatsache, daß in diesen Fällen die diskrete Maschine viel bes-ser zu operieren befähigt ist als der Mensch, der Computer mit seiner Art zu „den-ken“ dem Menschen zum Vorbild geraten, an dem Menschengeist sich zu orientie-ren beginnt.5 Es ist eine Rückkopplungsschleife zwischen Maschinenmodell und 1 Bolter, David J.: Der digitale Faust, a.a.O., S. 22 2 Als Schutzpatron der Kybernetik will denn auch Norbert Wiener Leibniz genannt wis-sen. „Die Philosophie Leibniz’ kreist um zwei engverwandte Begriffe - den einer uni-versellen Symbolik und den eines Kalküls der Vernunft. Von diesen sind die mathe-matischen Bezeichnungen und die symbolische Logik der heutigen Zeit hergeleitet“ (Wiener, Norbert: Kybernetik, a.a.O., S. 40). 3 Bolter, David J.: Der digitale Faust, a.a.O., S. 22 4 Vgl. dazu: Tetens, Holm: Geist, Gehirn, Maschine. Stuttgart 1994, S. 102-104 5 Mit der Frage, ob „Maschinen denken können“ hat sich Alan Turing in seinem Aufsatz „Rechenmaschinen und Intelligenz“ ausführlich auseinandergesetzt, und er ersetzt sie