MUSIKMASCHINEN 182 UND KLANGFINDUNG eigenen Fähigkeiten schlichte Permutationsmaschinen sind und bleiben. „Noch die intelligentesten Maschinen sind exakt das, was sie sind“.1 Davon abgegrenzt sieht Baudrillard die Fähigkeit des Menschen zur Übersteigung des schon Gedachten, wozu der Körper unverzichtbares Mittel ist: „Das wahrhaft Künstliche ist das des Körpers in der Leidenschaft, das des Zeichens in der Verführung, der Ambivalenz in den Gesten, der Auslassung in der Sprache, der Maske im Gesicht, ein kleiner Zug, der den Sinn abändert, das, was man deshalb einen Geistesblitz nennt.“2 Kon-kret heißt das, in dem explizit Nicht-Beschriebenen wie in der Nicht- Beschreibbarkeit von Prozessen drückt sich die Möglichkeit zur Übersteigung, zum schöpferischen Schaffen aus. Diese infolge ihrer Distinktheit angeführte Baudrillardsche Definition des Com-puters als Junggesellenmaschine und ihrer Nicht-Möglichkeit zur kreativen Entfal-tung ist allerdings erörterungs- und differenzierungswürdig. Was der Computer lie-fert, ist eine endliche Menge von bekannten Daten, welche von diesem neu kombi-niert werden. Durch Neukombination aber entstehen auch neue Informationen, die nicht nur einfach das Altbekannte in neuem Gesicht liefern, sondern Emergenz-ereignisse sein können. Solche im Permutationsspiel zufällig entstehenden emergenten Ereignisse wollen aber von einer qualifizierenden Instanz entdeckt und aus dem Meer der Redundanz herausgefiltert sein. Mit anderen Worten: Es sind durchaus auch immer mal wieder „Gedankenblitze“, welche computerentworfen dem Anwender sich darbieten und in denen sich das Neue gleichwohl als Auslas-sung ankündigen mag. Computer sind nur deshalb „tugendhaft“ und „Junggesel-lenmaschinen“, weil sie weder um ihre Tugend noch um die von ihnen immer wie-der verfügte Untugend wissen. Rein sensoriell statthabende Medienkopplungen zwischen Mensch und Maschine mögen zur Tugendhaftigkeit auch jene verurtei-len, welche körperbewußtlos Netzwerkkommunikation betreiben. In computerge-nerierter Musik einem Gestalt annehmenden Ungehörten Gewahr zu werden, mag - als Folge von Feedbackleistungen - zum Problemfall werden. Kontrollmaschinen entziehen dem Ungehörten die Aufmerksamkeit, indem sie sie auf das kontrolliert Gehörte lenken, das sich Menschengeist von selbst erklärt. Man ist so geneigt, nur Vertrautem Gehör zu schenken. Dem Ungehörten dagegen in der traditionellen Musik Gestalt zu verleihen ge-lingt, weil es das Ergebnis eines Musizierens ist, das von Auslassungen wie Nicht- Beschreibbarkeiten bestimmt ist. Als Folge von Unzulänglichkeiten wird der Sinn für die Auslassung geschärft, indem das kognitiv Unerklärliche, nicht zur Gänze Kontrollierbare, vornehmlich der Körpergefühlswelt überstellt ist, die nicht zu er-klären sucht. In diesem Sinne schreibt auch Erwin Stein: „Unsere Musikinstrumen-te sind ebenso unzulänglich wie unsere Fähigkeit, Musik auszudrücken und passen dazu recht gut zu unserer unzulänglichen, menschlichen Natur. Sie sind unzuläng-liche Mittel, mit denen wir nach Vollkommenheit streben. Solange wir dies tun, geht es weiter. Könnten wir die Mittel so vervollkommnen, daß wir sie erreichten, 1 Ebd., S. 275 2 Ebd., S. 275