SOFTWARE(IM)MATERIALIEN 183 so wären wir am Ende.“1 Was vervollkommnet ist, bedarf keiner Fortführung. Es ist zu Ende geführt. Solange aber das Unfaßbare in allem Mitgeteilten oder Musi-zierten mitschwingt, ist die Präsenz des Nichtpräsenten - obwohl abwesend - in der nicht-kommunizierbaren Auslassung zugegen und damit um die Notwendigkeit des Weitermusizierens gewußt. Mit moderner Musiktechnologie ist also ein Musizieren zu beschreiben, das auf ein Changieren zwischen zwei unterschiedlichen Denkwelten hinausläuft: der rein auf Logik fußenden des Computers und der menschlichen rational nicht vollkom-men erfaßbaren Körperdenkwelt des Menschen. Zugleich ist es ein Musizieren, bei dem die Körperwelt des Menschen der immateriellen Welt des Computers gegen-übergestellt ist, wobei die Schauwelt des Computers den Körper des Schauenden teilweise der Funktionslosigkeit überstellt, bedingt nicht zuletzt durch die immer ähnliche Tastatur-Schnittstellenkommunikation. Kehrt man zum Beginn des Abschnittes und der Ausgangsfrage von Erwin Stein nach einer Trennung der Musik vom Musizieren zurück und versteht man unter „Musizieren“ nicht allein den mechanischen Akt der (Re-)Produktion des schon Vorformulierten - wie ihn Maschinen zu leisten vermögen - oder das nach formal-logischen Regeln organisierte Variieren des Vorgegebenen, sondern ein motivier-tes respektive ein erkennendes Tun, das auch den Regelkreis des Vorgegebenen zu übersteigen in der Lage ist, so ist eine körperlose Musik nicht vorstellbar. Es braucht den mitschwingenden Körper des Musikers, rückgekoppelt mit dem klangwahrnehmenden Ohr, dem klangproduzierenden Instrument, um in Verbin-dung mit den geistigen Prozessen ein Musizieren zu leisten, das auch immer wie-der neuschöpferisch tätig ist. Allein die Akustik chipimplementiert zur Verfügung zu stellen reicht nicht zum innovativ Tätigsein, zum schöpferischen Musizieren. „Musik ist keine akustische Angelegenheit, sondern eine künstlerische. Als solche ist sie nicht nur den Bedingungen ihres Materials (also der Akustik), sondern auch denen des Menschen, psychologischen und physiologischen Bedingungen unter-worfen. Sie wurzelt im Tanz und Gesang. Soweit wir uns auch heute von diesem ihrem Ursprung entfernt haben, mit der Natur des menschlichen Körpers, seinem Pulsschlag, seinem Atem, der rhythmisch-elastischen Bewegung von Muskeln und Gelenken ist sie noch tiefstinnerlich verhaftet, und gerade dort am meisten, wo man in der Musik im weitesten Sinne von Vortrag spricht. Das mag daher kom-men, daß bei unseren Instrumenten der Klang vom Menschen erzeugt wird - oder auch umgekehrt: die Musik läßt sich darum am entsprechendsten durch den menschlichen Körper wiedergeben.“2 Musik durch den menschlichen Körper wie-derzugeben, muß denn zuletzt auch das Ziel von Computerentwicklungen sein. So lassen sich denn auch Entwicklungen wie die angeführte virtuelle Umwelt eines NOTATOR LOGIC als vorübergehende Erscheinungen lesen, welche nur un-vollkommen die Körperwelt des Menschen integrieren, mit denen aber zugleich der Weg zu einer Restituierung des Körpers gewiesen ist. Virtuelle Schaltzentra-len, in denen gesamtsensoriell operiert werden wird, dürften eines Tages genauso 1 Stein, Erwin: Realisierung der Musik, a.a.O., S. 30f. 2 Ebd., S. 30