MUSIKMASCHINEN 184 UND KLANGFINDUNG den musikalischen Studiolebensalltag bestimmen, wie Simulationswelten, inner-halb derer gesamtsensoriell musiziert werden wird. Entwicklungen in anderen Bereichen der Musiktechnologie suchen schon durch neuartige Schnittstellenkommunikation die Restituierung des Körpers und dadurch das körperorientierte Spiel wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen, dies para-doxerweise durch die weitere Formalisierung der Menschenwelt. Hier nun ist der Anknüpfungspunkt zum „Touch Screen“ des vorangegangenen Abschnitts gege-ben, da dieser seine völlige Durchlässigkeit in dem Moment beweist, wenn als be-rührungsempfindliches Input-Medium dieses sich von der Fläche löst. Die Logik tritt heraus aus dem Computer in den konkreten Raum, in dem der Mensch in sei-ner Ganzheit operiert. Gleichwohl findet jenes Musizieren, so sehr sich die Bewe-gung auch im konkreten Raum begibt, im Nicht-Raum der Virtualität statt. Ein Beispiel dafür wäre der „Exos Dextros Handmaster“, von dem Tod Machover be-richtet. „In Bug Mudra, einem meiner jüngsten Stücke, sind alle Instrumente, die beiden Gitarren und die Schlaginstrumente, an den Handschuh angeschlossen. Beim Spielen stelle ich mir einem virtuellen Raum vor, der voll ist mit Klängen. Das alles ist im Computerprogramm definiert, aber es ist, als wäre dieser Raum di-rekt vor mir - und in einer Ecke da ist der Klang einer Gitarre. In der gegenüberlie-genden Ecke ist dann etwa der Klang einer Gitarre, die zuerst wie eine akustische und dann wie eine vollständig elektronische Gitarre klingt. [...] Durch die Bewe-gungen meiner Hand in diesem Raum kann ich alles mögliche machen: Ich kann Klänge herausnehmen, sie verändern und sie wieder zurückbringen. Dabei gibt es diesen Raum nicht wirklich - er existiert nur in meiner Vorstellung.“1 Damit das Vorgestellte nicht zur Enttäuschung und überhaupt erst zur Möglichkeit gerät und möglichst realitätsnah empfunden wird, werden in virtuellen Räumen Agierende zuvor noch ausgestattet mit Sehfeldsimulator (Eyephone), Datenhandschuh (Data- Glove)2, Kopfhörer und Ganzkörperanzug (Data-Suit). Ergänzungen und Auslas-sungen in dieser Ausstattung sind denkbar. Aus der Kombination von virtuellem und realem Raum ergibt sich eine Situation, in dem das motorische intuitive Musi-zieren wieder seinen Raum hat. Der Aktionsraum ist dabei eine Synthese aus bei-den zuvor beschriebenen Denkwelten. Künstler beginnen nunmehr, „ihren gesam-ten Körper als Input für computergenerierte Musik zu verwenden.“3 Das Compu-terdenken und die daraus entworfene Welt ist aus der zweidimensionalen Fläche herausgetreten in die dritte Dimension des Raumes. Dieser Eintritt in die dritte Dimension ermöglicht die Restituierung einer Körperlichkeit und scheint weitge- 1 Machover, Tod: Zukunftsmusik auf Hyperinstrumenten. In: Waffender, Manfred (Hg.): Cyberspace. Ausflüge in virtuelle Wirklichkeiten, a.a.O., S. 163 2 Erfunden und zum ersten Mal gebaut wurde der Datenhandschuh von dem Computer-ingenieur und Musiker Thomas Zimmermann, „um eine virtuelle Gitarre mit einer vir-tuellen Hand [...] spielen zu können.“ (de Kerckhove. Derrick: Touch versus Vision. Ästhetik der neuen Technologien. In: Welsch, Wolfgang (Hg.): Die Aktualität des Äs-thetischen, a.a.O., S. 160). 3 Sturman, David J.: Was können wir mit unseren Händen tun? In: Rötzer, Florian/ Weibel, Peter (Hg.): Cyberspace. Zum medialen Gesamtkunstwerk, a.a.O., S. 181