MUSIKMASCHINEN 186 UND KLANGFINDUNG hungsgeflecht, welches immer auch die Möglichkeit des Unbotmäßigen implizier-te, worauf es zu reagieren galt, so ist durch das Auflösen der letzten Materialitäten in Zahlenereignisse und der Mathematisierung des Raumes eine weitere Komplexi-tätssteigerung einhergegangen. Im Datenraum zu musizieren, heißt folglich, im Unbestimmten das Bestimmte, im Unerwarteten das Erwartungsgemäße zu erken-nen und kreativ wie schöpferisch damit spielen zu lernen. Um dieses Spiel mit Klangpotentialen auch konstruktiv betreiben zu können, braucht es - nach dem Wegfall der rückgekoppelten Pole Instrument und Körper, in dem sich die entge-gensetzenden Objekte Widerpart und Haltepunkt zugleich waren - den Aufbau ei-nes neuen Bezugssystems. Beständigkeit in diesem immer größer werdendem Feld von zu verklanglichen Möglichkeiten garantiert nunmehr einzig der eigene Körper. Eingetaucht in ein elektromagnetisches Feld, innerhalb dessen Körperbewegungen in Klänge verwandelt werden, ist der Körper Auslöser und Ereignis zugleich. „Jede Ihrer Bewegungen wird in einen entsprechenden Ton oder eine Reihe von Tönen übersetzt. Sie werden gleichzeitig Komponist, Performer und Zuhörer ihrer eige-nen musikalischen Umgebung.“1 Es ist folglich ein Spiel mit und ein Zurück- Verwiesen-Werden auf sich selber, das statthat. Spielen im virtuellen Datenge-flecht, ist ein sich selbst begreifendes Spielen, evoziert durch ein endlos geflochte-nes INPUT-OUTPUT-Band. „The medium is the massage“, schrieb McLuhan einst in Abwandlung seiner eigenen populären These2, was meint, „daß jedes Medium, un-abhängig von einer symbolischen Botschaft, die es vermittelt, eine Umwelt ist, die den Benutzer zu ihrem eigentlichen Inhalt macht.“3 Dem Erschließen neuer Klang-räume in der Virtualität ist eine Rückbesinnung des Spielenden auf sich selber durch ein begreifendes Wahrnehmen immanent. Und das Ergebnis ist eine Form der Selbstmodellierung. Folglich läßt sich beschreiben, daß mit der Komplexifizie-rung eines Computer-Processings, der Austritt der virtuellen Welten aus der zwei-dimensionalen Fläche des Monitors hinaus in den dreidimensionalen Raum ver-bunden ist, als dessen Ergebnis nach dem „Schwinden der Sinne“4 eine „Wieder-kehr des Körpers“5 zu beobachten ist. Das macht schließlich auch die Renaissance früher elektronischer Musikinstru-mente wie dem „Aetherophon“ - auch „Theremin“ genannt - von Lew Sergeje-witsch Termen erklärlich, einem Instrument, welches schon zu Beginn der 20er Jahre ganz auf Klaviatur und andere ähnliche Materialitäten verzichtete und Töne durch die freie Bewegung der Hände im Raum erzeugte. „Es ist ein Instrument, an 1 de Kerckhove. Derrick: Touch versus Vision. Ästhetik der neuen Technologien, a.a.O., S. 158 2 Zur Erinnerung: Die Grundthese McLuhans, die ja auch dieser Arbeit zugrundeliegt, heißt: „The medium is the message.“ 3 de Kerckhove. Derrick: Touch versus Vision. Ästhetik der neuen Technologien, a.a.O., S. 146 4 Vgl. Kamper, Dietmar/Wulf, Christoph (Hg.): Das Schwinden der Sinne, a.a.O. 5 Vgl. Kamper, Dietmar/Wulf, Christoph (Hg.): Die Wiederkehr des Körpers. Ffm 1982