SOFTWARE(IM)MATERIALIEN 187 dem man nur vorbeizugehen braucht, um Klänge damit hervorzurufen.“1 Robert Moog, der schon mit der Entwicklung des spannungsgesteuerten Moogsynthesizers die Musikwelt in den 60er Jahren revolutionierte, läßt jenes Musikinstrument, des-sen Töne durch ein einfaches Bewegen der Hände im Raum erzeugt werden, nach alten Plänen wieder bauen und vertreiben. Andere aktuelle Instrumente wie die MIDI-Harp sind nach einem jenem vergleichbaren Prinzip konstruiert. Und schon in dieser Frühzeit der elektronischen Musikinstrumente wurde denn auch das „Theremin“ dazu benutzt, Bewegungen von Tänzern in Musik umzusetzen, also nicht mehr mit Instrumentenkörpern zu musizieren, sondern den eigenen Körper als Instrument zu begreifen und zu erfahren. Vom Instrumentenkörper auf den Körper als Instrument oder anders ausgedrückt: auf das Körperinstrument ist um-gestellt. Wo Musikhören - nach Flusser - eine Geste ist, „bei der durch akustische Massage der Körper zu Geist wird“2, wird diese in Kombination mit dem Musik-machen unter Computerbedingungen die Möglichkeit zum Selbstentwurf in einem viel umfassenderen Maße als bislang mit angeschrieben, denn Musizieren heißt nun, seine eigenen Bewegungen in Schwingungen umzusetzen, welche zurückge-worfen auf den Körper, diesen durchdringen, wieder zum Schwingen bringen und somit gänzlich neue Eigenansichten ermöglichen durch das selbstbestimmte In- Schwingung-Versetzen der Körperwelt des Geistes. Es ist dies ein kybernetisches Geflecht, welches damit entstanden ist; eine umfassend angelegte Selbstwahrneh-mung durch Eigensteuerung. Ganzseitige Werbeanzeigen, überschrieben mit „Die außergewöhnliche Heraus-forderung“, 3 mit denen für jene neu konstruierten „Theremine“ geworben wird, gewinnen ihren eigentlichen Sinn, wenn sie in Hinblick auf die mitgegebene Mög-lichkeit zum Selbstentwurf durch eine akustische Körpermassage hin gelesen wer-den. Popgruppen in den 60er Jahren mochten denn auch schon um die Qualitäten jenes Instrumentes wissen, indem sie populäre Musik mit „Theremin“-Klängen an-reicherten und solchermaßen produzierter Musik den einzig möglichen Titel gaben: „Good Vibrations“.4 1 Clara Rockmore, zitiert nach: Ruschkowski, André: Die Dinosaurier. Geschichte der elektronischen Musikinstrumente. Teil 1: Wie alles begann. In: Keyboards 09/91. Lew Termen (auch: Leo Theremin) sagt zur Klangerzeugung seines Instrumentes: „Die Veränderung der Tonhöhe und -stärke kann durch die Bewegungen nicht allein der Hände, sondern auch des ganzen Körpers hervorgerufen werden, selbst wenn sich dieser in ziemlicher Entfernung vom Apparat befindet. Diese Möglichkeit eröffnet ei-nen weiten Ausblick für die Probleme der Musik im Zusammenhang mit dem Tanz“ (zitiert nach: Stange, Joachim: Die Bedeutung der elektroakustischen Medien für die Musik im 20. Jahrhundert, a.a.O., s. 132). 2 Flusser, Vilém. Gesten, a.a.O., S. 200 3 Vgl. Werbeanzeige der Firma Profi Equipment thomann Musikhaus. In: Keys 7/94, S. 39 4 „Good Vibrations“, ein Hit der Beat-Gruppe „Beach Boys“ aus dem Jahre 1967. Auch die Gruppe „Led Zeppelin“ mochte auf die Wirkung dieses Instrumentes in ihrem Film „The Song remains the same“ nicht verzichten.