KLANGDESIGN 191 Im Bereich der elektronischen Musikinstrumente bedeutet dies, daß die Klang-manipulationsmöglichkeiten von digitalen Synthesizern bei weitem nicht nur nicht ausgeschöpft, sondern häufig genug noch nicht einmal mehr in Ansätzen erschlos-sen werden. Noch einmal sei auf den DX-7 verwiesen, welcher mit der von Yama-ha weiterentwickelten Frequenzmodulation nach John Chowning operierte und zu-vor nicht realisierbare Klangwelten offenbarte. „Bis heute ist das Klangpotential des DX7 noch nicht ausgeschöpft, ständig werden neue aufregende Sounds entwi-ckelt“ 1, schreibt 1988 Peter Gorges, was unbenommen auch für die Jetztzeit noch gilt2 und weiter darin ausgedrückt ist, daß Yamaha jenem Syntheseverfahren in modifizierter Form bis zur Markteinführung des VL1 im Jahre 1994 treu blieb. Unabhängig von der Vielfalt an Klangmöglichkeiten, welche dieser Synthesizer bot, wurde er über die ganze Zeit seiner Marktexistenz häufig als Presetgerät beti-telt, eine Bezeichnung, die für Geräte Verwendung findet, die abrufbare aber nicht zu programmierende Klänge zur Verfügung stellen. Diese Betitelung hat ihren Grund in dem schwer vermittelbaren Syntheseverfahren sowie auch in deren unge-nügender Repräsentation auf der Hardwareoberfläche. „Dabei wird die an sich bei der FM-Synthese ja ohnehin sehr komplexe Programmierung noch zusätzlich durch die Bedieneroberfläche des DX7 erschwert, denn die Eingabe per DATA-ENTRY- Regler bzw. UP/DOWN-Taster, das kleine, zudem noch unbeleuchtete Dis-play und die doppelt und dreifach belegten Folientaster laden wahrlich nicht zum Experimentieren ein.“3 So wurde vielfach auf die Eigenprogrammierung jenes Ge-rätes verzichtet und auf von (semi-)professionellen Klangprogrammierern entwi-ckelte Klänge zurückgegriffen. Die Gestaltung der Hardware macht die interne Signalverarbeitung schlicht undurchschaubar. Synthesizer mit umfangreichen Syn-thesemöglichkeiten werden quasi zu reinen Presetsynthesizern und damit deren RAM-Speicher, aufgefüllt mit im Grunde genommenen zu verändernden Werks-klängen, mehr oder weniger zu reinen Festspeichern umfunktioniert. Um diese Oberflächenundurchsichtigkeit wieder aufzulösen und informative Klanggestalten Wirklichkeit werden zu lassen, die diesen Namen auch verdienen und sich also mitnichten durch Redundanz auszeichnen, wendet sich das Augen-merk von Design zunehmend von der Gestaltung von Materialitäten ab und wendet sich Immaterialien zu - der Softwaregestaltung. Das Wissen um die interne Signal-führung wird, wo Synthesemaschinen immer komplexer werden, immer wichtiger, und deren Gestaltung zeigt an, inwiefern das Gerät seinen „Black Box“-Charakter bewahrt oder nicht. Programmierer fungieren demnach längst als Designer. De-sign, dessen Aufgabe es ursprünglich war, internen Funktionsabläufen eine der Bedienung angemessene, und damit eine bedienungskonforme wie optisch anspre- 1 Gorges, Peter: Das komplette DX7-Handbuch. München 1988, S. 11 2 So heißt es auch in der Zeitschrift Keyboards in der April-Ausgabe des Jahres 1994: „Fest steht, daß die Möglichkeiten der FM-Synthese nach wie vor alles andere als aus-gelotet sind, und daß noch unendlich viele uner(ge?)hörte Klänge im DX7 und seinen diversen Abarten schlummern“. In: Synthesizer von gestern: Yamaha DX7. In: Key-boards 04/94, S. 81. 3 Ebd., S. 76