KLANGDESIGN 195 dieser Art wie aber auch alle anderen Synthesizer mit ihren „aufgeräumt“ wirken-den Bedienungsoberflächen tendieren dazu, den Eindruck einer funktionell einfa-chen Bedienung zu vermitteln, während sie dabei aber gleichzeitig in ihrem Innern eine strukturell immer komplexer werdende Ordnung der Verarbeitungsabläufe verbergen.1 Infolge dieser vordergründig zur Schau gestellten leichten Beherrsch-barkeit der zur Verfügung gestellten Synthesemöglichkeiten werden Klanggestal-ten Speicherbänke füllen, die in immer wieder ähnlicher Weise lediglich die Ur-sprungsklanginformation wiedergeben, die in der Variation dann allerdings keine Information mehr ist, sondern nur noch Redundanz. Wenngleich im Vordergrund solcher zuletzt fragwürdigen Bedienungskonzepte steht, mit Hilfe rudimentärer Bedienungselemente vorgegebene Klangereignisse an musikalische Bedingtheiten anzupassen, dürfte sich gleichsam als mediale Bot-schaft die Idee einer prinzipiellen Beherrschbarkeit des gegebenen Syntheseprin-zips mitteilen. Bedienungskonzepte, die werksseitig von vornherein nur ein aus-schnitthaftes, eingeschränktes Klangsynthetisieren zulassen, beschreibt Michael Harenberg denn auch als „trügerischen und gefährlichen“ Ausweg aus dem Di-lemma von abstraktes Denken abfordernden komplexen Syntheseprinzipien auf der einen Seite und der Bemühung um deren leicht zugängliche Handhabung auf der anderen Seite. Gefördert wird ein „Arbeiten mit Strukturen, die von der jeweiligen Firma vorgegeben, auf ihre Nützlichkeit oder ihre Anwendungsmöglichkeiten nicht mehr hinterfragt werden. Somit ist die Verfügung über eine solche Maschine schon nur noch immanent-relativ.“2 Das so zur Verfügung gestellte Klangangebot wird kaum mehr hinterfragt. Was für eine Klangwelt ein Synthesizer grundsätzlich be-reitstellen sollte, gibt die herstellende Firma vor. Damit wird zu einem Großteil aber auch schon vorgegeben, was überhaupt als musikadäquater Klang gelten kann und so der Eingang von Klängen/Tönen in die Musik reglementiert, da vorstruktu-riert (vgl. Abschnitt: Klangkonfektionsware). In dem zuletzt Beschriebenen spiegelt sich die innere Dialektik einer jeden Syn-thesizer- oder generell Computeranwendung. Indem versucht wird, die Bedie-nungsfreundlichkeit von Systemen durch Reduzierung der Bedienungskomponen-ten oder durch Softwareeditoren zu verbessern, geht der Blick für die eigentlichen Funktionsabläufe im Innern dieser Systeme verloren, und was sich vordergründig als Kompetenzwissen vermittelt, bedingt im Umkehrschluß eigentlich eine Inkom-petenz, hervorgerufen durch das Ausblenden komplexer Funktionsstrukturen, die gar nicht mehr ins Bewußtsein geraten. Strukturell komplexe, doch immaterielle Funktionsabläufe gestatten es nicht mehr, die eigenen Fähigkeiten realistisch ein-zuschätzen, von den vorgegebenen Möglichkeiten abzugrenzen und abzuschätzen. In dem Glauben, als verantwortliches Subjekt die Virtualitäten eines Objektes zu erforschen und beeinflussen zu können, geht die Möglichkeit zur Einsicht verloren, daß es längst das Objekt ist, das verantwortlich zeichnet, während das Subjekt nur noch in Funktion der Maschine tätig werden kann. „Nicht mehr die Möglichkeiten des Subjektes, die Welt zu erfassen, geben den Ausschlag, sondern die Möglich- 1 Vgl. Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Photographie, a.a.O., S. 40f. 2 Harenberg, Michael: Neue Musik durch neue Technik? A.a.O., S. 111