KLANGVERWALTUNG 199 Zum Vergleich einige Beispiele aus der Frühzeit der Klangspeicherung: „32 Sounds für Roland JX 3P auf Kassette 35.- plus Porto“ oder „DX9 120 neue Sounds auf Kassette, 98.- DM“.1 Und abschließend sei eine Anzeige eines DX-7 Klangprogrammierers angeführt, der es sich noch erlauben konnte, alle von ihm erstellten 12 Klänge namentlich an-zuführen: „DX-7 Fans: Jeder Sound 2,95 DM: Super Marimba, Simmons, bessere Pauken, Meereswellen, 2x Super Spaceklänge, Chaka-Khan-Syth-Bass, Ritenour- Brass, Disco-Moog-Bass, CP-70-Flügel, Chicago-Rhodes, Wurlizer; Sammelpreis 29,95.-DM“.2 Gerade in dieser nach heutigen Maßstäben geradezu rührig anmu-tenden Anzeige drückt sich das medial vermittelte neue Bewußtsein aus. Während in dieser zuletzt angeführten Anzeige noch versucht wird, eine ungefähre - in Wor-te gefaßte - Vorstellung davon zu geben, was an Klangereignissen erwartet werden darf und sich ein Käufer explizit für „Meeresrauschen“, „Disco-Moog-Bass“ u.ä. entscheidet, wird im anderen Fall die anonyme Zahl 10000 angeboten. Ganz frag-los werden, wenn vielleicht auch nicht genau diese 12 Klänge, so doch hunderte von vergleichbaren Klängen Bestandteil dieser beeindruckenden Klangbibliothek sein, doch für die Kaufentscheidung bleibt es letztendlich ohne Bedeutung, ob die-se oder andere Klänge im einzelnen angeboten werden. Was zählt, ist die Indiffe-renz der Zahl gegenüber Klangsingularitäten. Die Zahl 1000 hat mittlerweile auf diesem Markt längst ihr Magie eingebüßt. Schon bald werden auch 10000 Klänge nicht mehr zu befriedigen wissen und kei-nen Anreiz mehr bieten, überhaupt noch das Kaufangebot zu prüfen. So werden sich die Größenrelationen um eine weitere Zehnerpotenz nach oben verschieben. Die Idee eines einzigartigen oder individuellen Klanges verflüchtigt sich im Nullsummenspiel von speicherintensiven Computersystemen. Was dagegen blei-ben wird, ist die Indifferenz der Masse, die als einziger Orientierungsmaßstab Gel-tung erlangt. Inwieweit sich dieser neue Maßstab der Qualifizierung etabliert hat und nicht mehr hinterfragt wird, mag am folgenden Beispiel belegt sein. Christina Perincioli und Cillie Rentmeister, zwei Computerexpertinnen, die sich mit dem Computer als kreativem Medium auseinandersetzen, bieten Neueinsteigern für den Kauf eines Samplers die Empfehlung: „Gerade für EinsteigerInnen ist es sinnvoll, ‘marktgängige’ Sampler zu kaufen, es bestehen dann gute Aussichten, dazu in Zeitschriften Besprechungen, Tips und Tricks zu finden. Es stehen rascher um-fangreiche Soundlibraries zur Verfügung; das Gerät läßt sich leichter wieder ver-kaufen. Wie vielfältig eine Soundlibrary ist, könnte auch für sich schon ein wichti-ges Kaufkriterium sein.“3 Das Merkmal einer sofort zur Verfügung stehenden um-fangreichen Library hat absolute Priorität vor jedem anderen das Gerät spezifizie-renden Merkmal. Die Frage der Handhabung des Gerätes ist für den Kaufentscheid nicht relevant - sie wird auf alle Fälle nicht explizit formuliert -, die Masse der Klänge allerdings. Es ist auch nicht danach gefragt, inwiefern umfangreiche Nach-bearbeitungsfunktionen einen kreativen Umgang ermöglichen. Das Eindringen in 1 Keyboards 02/85, S. 102 2 Keyboards 04/85, S. 102 3 Perincioli, Christina/Rentmeister, Cillie: Computer und Kreativität, a.a.O., S. 207