MUSIKMASCHINEN 200 UND KLANGFINDUNG die interne Programmhierarchie und die Frage seiner Erschließung ist nicht thema-tisiert. Dies wird auch unnötig vor dem Hintergrund der zur Verfügung gestellten, sicherlich klanggewaltigen und beeindruckenden Klänge. Es braucht keine um-fangreiche Bedienungskompetenz, um eigene Klanggestalten zu entwickeln. Es reicht ein Wissen um die Load-Funktion der Samples. Eine schon bald erneuerte Produktpalette wird ohnehin das Interesse an dem al-ten Gerät verlieren lassen. Die Zeit, die nötig wäre, den qualifizierten Umgang mit dem erworbenen Gerät einzuüben, bleibt so gar nicht. Und wieder ist es die Masse der Klänge, die die Verkaufsmöglichkeiten des uninteressant gewordenen Produk-tes steigern läßt. Der medienimmanenten Botschaft einer immer rascher erfolgen-den Verbrauchsfrequenz von Hardware und einer individualitätsnegierenden Cha-rakteristik von Klangereignissen infolge unterscheidungsloser Massenklangbiblio-theken werden beiden Autorinnen nicht gewahr und damit dem Medium gerecht. Sie helfen mit ihren ganz fraglos gutgemeinten Hinweisen vielmehr, die Zirkulati-onsgeschwindigkeit von Produkten zu potenzieren, damit den „Black Box“ Cha-rakter von Produkten zu bewahren und die Welt der Klangnichtigkeiten durch standardisierte wie global verbreitete Klänge weiter zu dimensionieren. Das Kriterium „verfügbare Klänge“ für einen Kaufentscheid anzuempfehlen ist mit Blick auf einen wünschenswerten kreativen Umgang mit Samplern also im höchsten Maße kontraproduktiv. Neue Produkte schließlich werden auch mit neuen Speicherdimensionen aufwar-ten. Das heißt die Entscheidung zum individuellen Klang vermag durch Zwischen-speicherung vieler auf diesem Weg zum „vorläufigen Endklang“ entstandenen Klänge weiter aufgeschoben und dadurch gleichsam aufgehoben werden. Mit der Erschließung neuer Speicherplatzreourcen werden sich also auch die Tendenzen zur Entscheidungslosigkeit nur potenzieren. Eine zunehmende Unentschiedenheit bei der Klangentwicklung bedingt aber gleichsam auch eine zunehmende Unterschiedslosigkeit der fertiggestellten Klän-ge. Masse produziert nur Ähnlichkeiten respektive klangliche Belanglosigkeiten. Ob Chorsurrogat X oder Y Anwendung findet, ist schließlich völlig egal. Und selbst da, wo noch facettenreiche Klänge das Massenangebot mitbestimmen, braucht es Wege, diese aus der nicht zu überblickenden Menge herauszufiltern. Um einen Klang zu nutzen, muß der Anwender überhaupt erst einmal dieses Klan-ges gewahr werden. „Sofort spielbereit“ heißt es schlicht in einer Kleinanzeige, ohne zu bedeuten, wie unter 17000 Möglichkeiten noch vernünftige Entscheidun-gen getroffen werden können. Kleinanzeigen zeigen schon die Notwendigkeit von Auswahlkriterien an, die nicht mehr allein auf Menschenentscheidung fußen. We-niger das Nutzen von Klängen ist damit primäre Aufgabe, als vielmehr zunächst deren Sortierung und Verwaltung. So sieht auch Peter Bickel den Nutzen solcher Klangbibliotheken weniger in der konkreten Anwendbarkeit gegeben, als vielmehr in dem „Reiz“ einer „lexikalischen Vollständigkeit“ von Klängen.1 In der Anhäufung von redundanten Klängen, die nicht ausgesondert, sondern sortierenden Verwaltungsprogrammen überstellt werden, erschöpft so denn auch 1 Bickel, Peter: Musik aus der Maschine. Berlin 1992, S. 34